„Alle buddhistischen Traditionen behaupten, dass die Natur unseres Geistes leuchtend ist. Das heißt, der natürliche Zustand unseres Geistes ist frei, offen und reines Gewahrsein. Buddha-Natur bezieht sich auf diesen reinen, natürlichen und leuchtenden Zustand unseres Bewusstseins, der frei von jeglicher Dualität oder Verunreinigung ist.“ – https://encyclopediaofbuddhism.org
„Schau in den eigenen Geist und halte das klare Bewusstsein aufrecht, das seine wahre Natur ist.“ – Trulshik Rinpoche
„Each of you is perfect the way you are … and you can use a little improvement.“ – Shunryu Suzuki
Innen- und Aussenwelt
Als ich mit sieben Jahren von London nach Deutschland zog, sprach ich kein Deutsch. Ich suchte Anschluss und wollte mich anpassen, um mich sicher zu fühlen. „Bin ich okay? Was kann ich in den Augen der anderen tun, um dazu zu gehören?“ Ich wollte Respekt erlangen, indem ich kämpfte, etwas wilder war und Grenzen austestete. Tief im Inneren spürte ich dabei, dass ich okay, fröhlich, optimistisch und voller Vertrauen war, auch wenn ich es nicht einordnen konnte. Das Gefühl im Hintergrund war einfach da, nicht etwas, das ich durch Veränderungen an mir oder meiner Welt hätte stärken können. Dieses angeborene Gefühl, ganz zu sein, verschwand immer wieder unter Schichten von Glaubenssätzen, Konditionierungen und äußeren Einflüssen. Bis heute wirkt dieses subtile Gefühl der Vollständigkeit weiter. Es bewirkt, dass ich nichts im Außen besitzen will. Es erlaubt mir, auch unbequeme Erfahrungen zu machen, weil dies ein Weg zur Selbsterkenntnis ist.
Es geht um das, was wir sind.
Die Welt ist nicht dafür geschaffen, dass es uns gut geht. Nach außen achten wir darauf, wie wir mit unseren Gedanken und Gefühlen umgehen, um den Anforderungen des Augenblicks zu genügen. In der Meditation schauen wir nach innen und stellen fest, dass unsere wahre Natur immer da, heil und vollständig ist. Die Absicht ist, dass wir uns dessen immer bewusst sind, nicht nur in der Meditation. Wir sind alle immer bewusst, auch bevor wir lesen können. Niemand ist darin Anfänger oder Fortgeschrittener. Der Geist ist die Grundlage der Meditation. Ruhen wir in ihm ohne Konzepte, können wir uns so annehmen, wie wir sind. Um das zu erleben, müssen wir nichts tun. Doch wir können es nicht in Worte fassen. Wie können wir dem, das da ist und sich wie eine tiefe Erinnerung anfühlt, eine Stimme geben? Rituale, Lehren und Traditionen sind äußere Übungen, die unseren inneren Zustand nicht unbedingt widerspiegeln. Sie können helfen, aus einer Traumwelt von Gedanken und Gefühlen aufzuwachen, in der wir alles ich-bezogen sehen und uns auf die Zukunft und die Vergangenheit konzentrieren. Unsere wahre Natur, unser klarer und transparenter Geist, ändert sich dadurch nicht. Fragen können helfen, Ergebnisse zu erzielen und ein Gefühl des „Nach-Hause-Kommens“ zu ermöglichen.
Alle haben Buddhanatur
Traditionell werden Metaphern verwendet, um die Buddha-Natur zu beschreiben. Sie ist wie die Sonne, die immer hinter den Wolken scheint, wie ein Diamant, der von Schlamm umgeben ist, oder wie Licht, das von Schichten von dünnen Tüchern verdeckt ist. Das legt nahe, dass unsere Buddha-Natur bereits vollkommen ist und nur noch enthüllt werden muss, um aufzuwachen. Wie der tibetische Meditationsmeister Tulku Urgyen Rinpoche sagt, ist unser Geist leer und bewusst. „Wir erkennen, dass es nichts zu sehen gibt. Es ist nichts, dem wir uns allmählich nähern können, wie ein Geist, der in uns eintritt. Wir erkennen ihn, indem wir nicht nach außen projizieren, uns nicht nach innen konzentrieren und keinen Zustand dazwischen aufrechterhalten. Wir entspannen uns und geben jegliche geistige Anstrengung auf.“ Es ist wie beim Hören eines Klangs, der sich in der Stille des Bewusstseins bewegt. Der Klang ist untrennbar von der Stille. Wir sind wach, tun und bewerten nichts – das ist genug. Das leere Bewusstsein ist immer da. Wenn wir es vergessen und anfangen zu denken, geht die Kontinuität vorübergehend verloren. Das trainieren wir: kurze Momente, viele Male bewusst zu sein. Wenn wir das Wesen vergessen, nimmt es die Form eines Gedankens an. Indem wir es als eigenen Ausdruck erkennen, löst es sich wieder in der Weite der Stille auf. Das ist es, was wir trainieren müssen, um uns daran zu gewöhnen.
Nachspüren
„Sometimes you’ve got to make the space to just stare at the clouds.“ – Jeremy Connell, Storyteller at IBM
Gerald Blomeyer, Berlin am 8. Juli 2024