Blick von Sarangkot auf Pokhara, Nepal (c) Pitta RathPowa

 

Das Staunen, das entsteht, wenn wir der Weite und Komplexität der Welt begegnen, hilft uns, unsere Bedeutung und unseren Platz in ihr zu finden.“ – Jennifer Stellar im white paper The Science of Awe

Ehrfurcht ist wie ein Blitz, der in der Erinnerung Momente markiert, in denen wir mit Klarheit erkennen, was im Leben wirklich wichtig ist.“ – David Elkins

 

Tun (Kopf, Denken): „Ich lebe mein Leben“, getrennter Beobachter,
egoistisch, eng, bedient werden, verkünden, Ziel gerichtet / gerichteter Fokus, Detail, Kontrolle

Sein (Herz, Fühlen): „Das Leben lebt mich“, Teil des Ganzen,
altruistisch, weit, dienen, neugierig sein, offen / offener Fokus, Gesamtbild, Freiheit
Meditation Tun und Sein im Gleichgewicht

 

Ein Sonnenaufgang, der sprachlos macht

Es ist noch dunkel, als die Touristen zum Bergdorf Sarangkot nördlich von Pokhara, Nepal, aufbrechen. Auf 1.600 Metern Höhe warten sie auf den spektakulären Sonnenaufgang über dem Himalaya-Gebirge, mit einem Panorama von dreißig sichtbaren, sechstausend Meter hohen Gipfeln der Annapurna-Kette und einem Achttausender. Das Schauspiel löst Gänsehaut aus. Alle sind berührt, viele klatschen, wenn die rote Sonnenscheibe sich über den Horizont schiebt und der Schnee auf den Gipfeln sich rosa färbt. In diesem riesigen Panorama fehlen uns die Worte, wir fühlen uns winzig. Wie der amerikanische Professor Dacher Keltner in seinem Buch „Awe“ schreibt, verschwindet beim Staunen unser rationales Standard-Ich, und wir erleben uns als Teil von etwas Größerem. Tiefes Staunen löst auch die Grenzen zwischen Selbst und Anderen auf. „Diese Verwandlung des Selbst, die durch die Ehrfurcht hervorgerufen wird, ist ein starkes Gegenmittel gegen die Isolation und Einsamkeit, die heute epidemisch sind.“

 

Großartiges oder Schönes lösen Staunen und Ehrfurcht aus

Der Anblick eines klaren Sternenhimmels, von weitläufigen Landschaften oder Menschen in Hochform, lässt uns ehrfürchtig staunen. Studien zeigen, dass diese Emotionen, Ängste abbauen, Kreativität fördern und das Wohlbefinden steigern. Bei Ehrfurcht halten wir inne, während andere positive Emotionen den Wunsch wecken, sich dem auslösenden Objekt zu nähern und zu lächeln. Erfahrungen des Staunens fördern Offenheit, Neugier und das Erkennen von Geheimnissen. Menschen, die oft staunen, sind offener für neue Ideen und das Unbekannte. Nach Keltner löst Ehrfurcht ein Gefühl der Verbundenheit aus, ähnlich einem Flow-Zustand. Es fördert die Neugierde auf Lernen und Erkunden.

 

Nicht-Meditation

Alles „Wissen“ ist eine Abstraktion und nicht die Realität selbst. Neugierde und die „Weisheit des Nichtwissens“ helfen uns loszulassen, wenn wir stark urteilen, gestresst oder überwältigt sind. Die beste Meditation, sagt der tibetisch-buddhistische Abt Mingyur Rinpoche, ist die Nicht-Meditation. Wir lassen uns in ein Gefühl von Präsenz und Entspannung ein. Anstelle von Mühe und Kontrolle treten waches Fühlen und Sein. Wir spüren vom offenen Herzen aus in alle Richtungen gleichzeitig. Innen und außen werden eins, ohne ein Ziel zu haben. Jede Bewegung, die im Bewusstsein geschieht, sei es ein Geräusch oder ein Gedanke, heißen wir im weiten offenen Raum des Bewusstseins willkommen. Es gibt weder eine Mitte noch eine Grenze. Vielleicht spüren wir Zugehörigkeit, zuhause zu sein. Wir erkennen die Qualitäten von Frieden, Freude und Glückseligkeit, die natürlich erscheinen, wenn wir als Bewusstsein ruhen und verweilen.

 

Nachspüren

Welches Erlebnis der Ehrfurcht hattest du, als du etwas Großartigem begegnet bist?

Das Gefühl der Weite ist oft ein wesentlicher Bestandteil der Ehrfurcht, sei es in der Natur oder durch Videos von Naturwundern, oder wie hier, vom Weltraum. Staunen verbindet und steigert unser Wohlbefinden.
Overview Effect (Video, 19 Minuten)


Gerald Blomeyer, Berlin am 3. Juli 2024

Vertiefung: Staunen und Bewundern

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