Als Dichter siehst du, dass in diesem Blatt Papier eine Wolke schwebt. Ohne eine Wolke gibt es keinen Regen; ohne Regen können die Bäume nicht wachsen; und ohne Bäume können wir kein Papier herstellen. Die Wolke ist für die Existenz des Papiers unerlässlich. … Wir können also sagen, dass die Wolke und das Papier zusammen existieren.“ – Thich Nhat Hanh

 

 

Ist es wirklich eine gute Idee, mich jetzt aufzuregen?

 

Sich zu ärgern, verschlimmert meist die Lage. Unser Adrenalin, Solarplexus, Arme, Körper werden aktiv. Die Hitze steigt uns ins Gesicht, wir platzen los oder ersinnen einen fiesen Plan für später. Wenn wir erkennen, dass der Ärger ein nur Impuls ist, können wir ihm bewusst und achtsam begegnen. Der Zen-Mönch Jules Shuzen Harris rät in „Uprooting the Seeds of Anger“: „Wir können unsere Überzeugungen, Einstellungen, das Verständnis oder Unverständnis für das, was wirklich geschehen ist, achtsam anschauen. Während wir uns ärgern, reagiert jemand anderes in derselben Situation nicht wütend. Warum? Die Antwort kann jeder von uns selbst finden, indem wir uns den Raum geben, darüber achtsam nachzudenken.“ „Wenn wir uns ärgern oder wütend sind, können wir diesen Augenblick als Teil unserer Praxis nutzen, um die Gründe des Ärgers zu erkennen, ihn zu entwurzeln und uns in das Herz des echten Mitgefühls begeben.“ Wir bewerten die Situation neu und nehmen uns vor: „Ärger schadet mir selbst am meisten. Ich werde jetzt anders handeln, denn ich kann mich ändern.“ Oder wir können den Impuls nutzen, um mit zornvollem Mitgefühl Grenzen zu setzen.

 

Alles willkommen heißen

 

Lieben bedeutet, dem Geliebten Glück zu wünschen. Das gibt uns Kraft. Doch wenn Menschen uns ärgern oder enttäuschen, kostet uns das Kraft. Wenn wir Angst davor haben, ausgenutzt, verletzt oder unterdrückt zu werden, dann sprechen wir lieber über deren Fehler. (Der Idiot, die dumme Kuh…) Was wäre, wenn wir unserem „Feind“ stattdessen Glück wünschen würden? Würde er/ sie uns das antun, wenn er/sie wirklich glücklich wäre? Keiner möchte sich ungerecht behandelt fühlen oder zurückstehen. Alle sehnen sich danach, heil zu sein und die Energie kreativ und freudig zu nutzen. Diese Art auf äußere „Feinde“ zu reagieren, zeigt nach innen, regt uns an, mit uns selbst, unserem Verstand und unserem Herzen zu arbeiten. Achtsam zu sein, bedeutet, alles loszulassen, was uns niederdrückt, kleiner macht und weh tut. Mitgefühl, im Gegensatz zu Enge und Druck, braucht Vertrauen in die inneren Fülle. Tatsächlich ist alles grundlegend verbunden. Dazu kommt, dass wir und alle Menschen sich täglich ändern. Der vietnamesiche Zen-Meister Thich Nhat Hanh bezeichnete die Tatsache, dass keine Sache ohne die andere existieren kann, als „Inter-Sein“. Mit der Einsicht, dass wir nie getrennt waren, können wir uns um uns selbst und umeinander kümmern.

 

Leben, Beziehungen und wir sind kompliziert

 

Im Streit scheint es uns manchmal einfacher, den anderen nur als böse zu sehen. Dann haben wir das Recht uns zu ärgern und auf dem, was falsch war, zu beharren – ein klassischer Beziehungskiller. Beziehungen spiegeln eine dualistische Wahrnehmung wider: die Person, die liebt, und das Wesen, das geliebt wird. Auf der non-dualen Ebene liegt die tiefe Liebe, die alles verbindet. Die erleben wir, wenn wir an jemandem etwas Gutes finden. Dann können wir uns sogar mit dem Streitpartner verbunden fühlen. Das zeigt uns, dass es nicht die Person ist, sondern dass es unsere Glaubenssätze und Interpretationen sind, die unsere Erfahrungen prägen. Wir sind frei, unsere Einstellungen zu ändern. Es liegt an unserer Sicht des Potentials, ob wir Mangel oder Fülle, Konkurrenz oder Miteinander sehen. Wir können uns im Streit vergegenwärtigen, dass wir alle mit Wohlwollen, Liebe und Mitgefühl verbunden sind. Die wichtigste Transformation findet also in unserem Geist statt. Wir entscheiden, ob wir irgendwann Veränderungen bewirken wollen. Beginnen wir es jetzt mit dem Podcast Sieben Minuten Mitgefühl.

  

Fragen zum Nachspüren, im Innen, nicht im Außen

Was braucht es in mir, damit ich mich vollständig fühle und die Fülle erlebe?
Wie lasse ich das scheinbar widrige Außen los?
Welcher Schatten wird durch diesen Ärger aktiviert? (Ich werde nicht gesehen und nicht gehört. Ich genüge nicht….)

Gerald Blomeyer, 28. Januar 2023

 

Image by Ohmydearlife from Pixabay

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