„In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.“
― Mark Twain
„Wir können eine Krankheit nicht heilen, ohne auch den Geist zu heilen. Die Netzwerke, die das Gehirn steuern, sind mit den Netzwerken verbunden, die die Gesundheit der Organe regulieren. Wenn das Signal zur Beendigung der Entzündung ausbleibt, kann die Entzündung fortbestehen. Chronischer Stress, chronische Angst sind entzündliche Zustände, bei denen das Vorhandensein von Entzündungen schlimmer wird – nicht besser.“
– Kevin Tracy, Präsident des Feinstein Institute for Medical Research
Was wir glauben, verändert unser Leben – jederzeit
Ich erinnere mich an einen dieser stillen, unscheinbaren Momente, in denen etwas in mir flüsterte: „So geht das nicht weiter.“ Ich fühlte mich leer, müde und fremd im eigenen Leben. Und doch redete ich mir ein: „Das ist halt so. Da muss ich durch.“ Ich glaubte wirklich, keine Wahl zu haben. Aber irgendwann wurde mir klar: Nicht das Leben hielt mich fest – meine Gedanken taten es. Ich war gefangen in dem, was ich über mich selbst glaubte. Mich zu verändern schien schwer, fast unmöglich. Bis zu dem Moment, als ich aufhörte, dagegen anzukämpfen – und begann, leise anders zu denken. Kein lauter Befreiungsschlag, kein großes Drama. Nur ein stiller Entschluss in mir: „Ich darf wählen. Ich darf es anders machen.“
Heute weiß ich: Nicht die Umstände formen uns, sondern das, was wir in uns für wahr halten. Veränderung macht Angst – ja. Weil wir nicht wissen, wie es ausgeht. Aber genau das ist Leben: nicht alles wissen, nicht alles kontrollieren – und trotzdem gehen. Nicht irgendwann. Sondern jetzt.
Achtsamkeit – die Alternative zur Gewohnheit
Präsent zu sein ist eine stille Revolution gegen das Getöse der Gewohnheit. Sie bedeutet, Ja zu sagen zu dem, was jetzt ist – ohne zu urteilen, auszuweichen oder zu hoffen, dass es anders wäre. Denn das Leben ist nicht sicher. Es ist flüssig, unvorhersehbar, manchmal schmerzhaft – und genau darin liegt seine Schönheit. Was wir heute für wahr halten, kann sich morgen ändern. Und das ist kein Versagen – das ist Freiheit. Unsere Vergangenheit? Sie flüstert uns ins Ohr, aber wir brauchen uns nicht danach zu richten. Achtsamkeit heißt, immer wieder neu zu sehen, zu fühlen – und ganz da zu sein.
Denn am Ende zählt nicht, was uns passiert, sondern wie wir uns entscheiden, damit umzugehen. Es ist nicht das Ereignis, das uns krank macht, sondern die Geschichte, die wir uns darüber erzählen. Der Stress entsteht nicht im Verkehrsstau – er entsteht in dem Satz: „Das darf mir nicht passieren.“ Wenn wir Stress nicht als Feind, sondern als Signal verstehen – als Hinweis darauf, dass wir an unseren Grenzen sind –, verliert er seine Macht, und wir werden klarer.
Achtsamkeit ohne Mitgefühl ist wie ein Körper ohne Herz
Wir können uns selbst nicht wirklich lieben, wenn wir uns ständig dafür verurteilen, was wir gestern getan oder nicht getan haben. Hinter jedem Verhalten steckt eine Geschichte, hinter jeder Entscheidung ein Bedürfnis – und wenn wir beginnen, das zu sehen, verlieren viele Konflikte ihre Schärfe. Mitgefühl ist keine Schwäche, sondern eine der klügsten Formen von Stärke: die Fähigkeit, uns selbst mit der gleichen Sanftheit zu begegnen, die wir einem Freund entgegenbringen würden, der gefallen ist – und diese Sanftheit auch anderen gegenüber aufzubringen. Wenn wir akzeptieren, dass wir nie die ganze Wahrheit kennen, nie alles kontrollieren oder vorhersagen können, dann öffnet sich ein Raum – nicht der Unsicherheit, sondern der Möglichkeit.
Wir dürfen loslassen, müssen nicht mehr perfekt sein, sondern können beginnen, eine Krise nicht als Sackgasse, sondern als Wendepunkt zu sehen. Bewusst zu leben heißt, zu erkennen, dass wir uns in jedem Moment neu entscheiden können – ohne uns festzubeißen, ohne uns zu verstecken. Achtsamkeit hilft uns, Stress als Signal zu verstehen, nicht als Feind – und letztlich das Leben so anzunehmen, wie es kommt, mit allem, was es mit sich bringt.
Nachspüren
Wann habe ich zuletzt bewusst entschieden – anstatt nur aus Gewohnheit zu reagieren?
Wo in meinem Leben darf mehr Mitgefühl sein – mit mir selbst oder mit anderen?
Angeregt von einem Podcast von Mel Robbins mit Dr. Ellen Langer, Harvard-Psychologin und Professorin
Podcast-Meditation Lebensfreude entdecken
Gerald Blomeyer, Berlin am 5. Oktober 2025