I see trees of green, red roses too / I see them bloom for me and you / And I think to myself / What a wonderful world.“ – Louis Armstrong (1901-1971), amerikanischer Musiker

 

Das Wichtigste, was wir hören müssen, ist die Stimme in uns, die uns mit allen Wesen und dem großen Netz des Lebens verbindet.“ – Joanna Macy, amerikanische buddhistische Lehrerin
 

Tun, was getan werden muss

Ladakh ist ein karges Hochland, trocken wie die Sahara. Die Hauptkette des Himalayas hält den Sommermonsun zurück – kaum ein Tropfen erreicht diese Region. Doch als ich in der Hauptstadt Leh war, regnete es stark. Die Menschen wussten: Die Hänge würden rutschen. Sie versammelten sich auf dem höchsten Punkt der Stadt – in der strahlend weißen Shanti Stupa, auf 4267 Metern Höhe. Sie kochten Tee, aßen zusammen, sangen Lieder. Und während sie sangen, rauschten Massen aus Matsch und Geröll ins Tal.
 
Am nächsten Tag waren Teile der Stadt, auch das Krankenhaus, unter einem halben Meter Lehm begraben. Die Mönche standen nicht abseits. Sie beteten nicht aus der Ferne. Sie griffen zu Spitzhacken, schaufelten Seite an Seite. Nicht aus Frömmigkeit. Aus Menschlichkeit: Erst handeln, dann sprechen. Mitgefühl zeigt sich in dem, was wir tun – nicht aus Hoffnung auf ein besseres Morgen, sondern weil das Heute uns ruft.


Die Kunst, mit Ungewissheit zu leben

Ungewissheit ist keine Bedrohung – sie ist ein Tor. Wenn wir mit offenem Herzen leben, fragen wir nicht: „Was wird sein?“, sondern: „Was können wir jetzt tun?“ Hoffnung ist schön, ja. Aber sie ist nicht der Motor. Wir lieben – sind berührt, lebendig, und erfüllt im Augenblick. Und wenn wir spüren, dass nichts bleibt, zählt jeder Moment umso mehr.
 
Lebensfreude macht uns wacher für das, was jetzt ist: die Wärme einer Umarmung, das Lachen eines Freundes, der Duft des Sommers. Wir sind beschenkt – erfüllt und dankbar für diese flüchtigen, kostbaren Augenblicke. Wir sind verbunden – mit dem Leben, miteinander. Und wir genießen es. Nicht morgen. Heute. Denn das Leben ruft nicht zur Eile, sondern zur Präsenz. Zur Freude. Zum Mut, da zu sein – und uns ganz hinzugeben. Was können wir heute tun? Nicht später. Jetzt. Nicht, weil wir sicher sind – sondern weil es zählt. Unsere Zeit ist kurz. Lasst uns die wertvollen Momente gemeinsam gestalten, und mit offenem Herzen für all das Schöne danken, das uns geschenkt wurde. Lasst uns das feiern, was jetzt ist.
 
 

Wir sind Teil von allem

Es beginnt in einem stillen Moment. Wenn wir wirklich präsent sind – ganz da, ohne Ablenkung –, spüren wir: Wir sind mehr als ein einzelner Körper, der atmet. Unser Atem ist verbunden – mit den Bäumen, den Ozeanen, dem kleinsten Plankton. Alles atmet miteinander. Ein leises Zusammenspiel, ein Netz, das uns trägt.

Wo enden wir? Wo beginnt das andere? In der reinen Erfahrung des Hörens oder Sehens gibt es nichts außer dem Wissen darum. Was da ist, ist Wahrnehmung – wie eine Welle: leer an Substanz, doch voll von Bewegung. Was bleibt, ist klares Gewahrsein – ein stilles Wissen, das nicht besitzt, sondern einfach da ist. In dieser Stille erkennen wir: Alles, was ist, hängt miteinander zusammen. Aus dieser Einsicht wächst Verantwortung – nicht als Pflicht, sondern als natürliche Folge des Verstehens.

Mitgefühl bedeutet: offen bleiben, nicht wegsehen. Wir leiden nur an dem, was uns wirklich am Herzen liegt. Wenn wir Ja zum Leben sagen, mit allem, was es bringt, öffnet sich unser Herz: ein stilles Ja, das uns mit allem verbindet, was uns wirklich etwas bedeutet.

 

 

Nachspüren

Wo in deinem Leben empfindest du Verbundenheit – mit dir selbst, mit anderen, mit der Erde?
Wie kannst du heute, hier und im Rahmen deiner Möglichkeiten, Mitgefühl ausdrücken?
Oder: „Imagine Togetherness“ – stell dir Verbundenheit vor und mache einen Vorschlag, wie sie Wirklichkeit werden könnte.
 
 
 
 
Gerald Blomeyer, Berlin am 30. Juli 2025
 
 
Foto: Shanti Stupa, Leh, Ladakh, Indien (c) Vivek auf Unsplash
 
 

Addendum


Die Praxis der Lebensfreude
The Practice of Joy | A Short Film Narrated by Thich Nhat Hanh

Buddha schlug vor, dass wir lernen, ein angenehmes Gefühl herbeizuführen – ein Gefühl der Freude. Wir sollten in der Lage sein, jederzeit Freude in uns entstehen zu lassen, durch die Praxis des achtsamen Atmens. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit auf den Einatem – und atmen ein. Wir bringen unseren Geist zurück in den Körper und verankern uns im Hier und Jetzt.

Im gegenwärtigen Moment können wir erkennen, dass viele Bedingungen für Glück bereits vorhanden sind – mehr als genug, um Freude zu empfinden. Tatsächlich haben wir großes Glück: Es gibt noch immer viele Gründe, uns zu freuen und glücklich zu sein.

Doch weil wir uns oft in Vergangenheit oder Zukunft verlieren – in Sorgen, in Ängsten – übersehen wir diese Möglichkeiten. Wir glauben, es sei unmöglich, jetzt glücklich zu sein. Wir denken, wir müssten in der Zukunft nach weiteren Bedingungen für unser Glück suchen.

Aber Buddha sagte sehr deutlich: Wenn du ins Hier und Jetzt zurückkehrst, wirst du erkennen, dass die Voraussetzungen für dein Glück bereits vorhanden sind. Du kannst genau hier, genau jetzt glücklich sein.

Drista dharma sukha vehariglücklich leben im gegenwärtigen Moment.

Gefilmt und geschnitten von Miguel Sánchez. Gesprochen von Thich Nhat Hanh. Gefilmt in Plum Village

 

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