Jedes Fenster hat eine andere Sicht. Hier die Aussicht auf Manhattan von Tom Wolfe.
„Wir lassen uns anregen, wie wir leben wollen – zum Guten oder zum Schlechten – durchs Fernsehen, Filme oder indem wir im wörtlichen oder übertragenen Sinn aus dem Fenster schauen.“ – Simon Sinek
„Viele Menschen mit dem Hochstapler-Syndrom haben das Gefühl, ihren Erfolg nicht verdient zu haben. Es zu überwinden ist nicht einfach, aber es gibt einige Strategien, die helfen können. Formuliere deine innere Geschichte um. Ersetze „Ich weiß nicht, was ich tue“ durch „Ich lerne Schritt für Schritt dazu.“ Solche Selbstbestätigungen aktivieren die Belohnungssysteme im Gehirn – und wir fühlen uns besser dabei.“ – Ness Labs
Das Prisma unseres Geistes
Wir sehen die Welt mit unseren Augen – ja. Aber eigentlich schauen wir durch unseren Verstand. Und der ist wie ein Prisma, zusammengesetzt aus unzähligen kleinen Fenstern: gefärbt durch Erinnerungen, verzerrt von Stimmungen, beschlagen von alten Geschichten, die wir uns immer wieder erzählen. Manche Fenster sind gesprungen – und gerade durch diese Risse fällt das Licht oft am schönsten.
Jedes dieser Fenster steht für einen Blickwinkel. Und je nachdem, durch welches wir schauen, erscheint uns die Welt völlig anders. Perspektivwechsel ist keine Kleinigkeit – er ist fundamental. Er entscheidet, ob wir im Mangel leben oder in Fülle, in Ohnmacht oder in Klarheit. Unser inneres Prisma formt unser Erleben.
Nichts im Leben ist nur schwarz oder weiß. Alles hängt vom Blickwinkel ab – sogar das Glück. Kein Sonnenuntergang, kein Geldbetrag, kein Eisbecher macht glücklich aus sich selbst heraus. Erst unsere innere Haltung verleiht Dingen Bedeutung. Es gibt kein schlechtes Wetter – nur Erwartungen, die nicht passen. So ist es auch mit dem Leben: Meist leiden wir nicht, weil etwas objektiv schlimm ist – sondern weil es anders kommt, als wir es wollten. Es schenkt uns Momente. Was wir daraus machen, liegt an uns – und an dem Fenster, durch das wir blicken. Und dann, ganz selten, verschwinden alle Fenster. Wir schauen nicht mehr durch sie – wir sind einfach da. Wach. Still. Weit. Wahrnehmung ohne Denken. Kein Ich, kein Du. Nur Sein.
Glück lässt sich weder planen noch optimieren
Welches Fenster darf ich schließen – und welches bewusst öffnen? Negative Gefühle leben oft in der Vergangenheit oder in der Zukunft: Reue, Schuld, Scham dort – Angst, Zweifel, Sorgen hier. Aber Frieden? Freude? Liebe? Die leben im Jetzt. Und jetzt ist alles, was wirklich existiert.
Ich erinnere mich an jenen Tag, an dem alles wegbrach. Eine Zusammenarbeit, in die ich mein Herz gesteckt hatte, wurde plötzlich abgesagt. Einfach so. Kein Gespräch, keine Erklärung, nur ein „Es passt gerade nicht“. Die Enttäuschung klemmte wie ein Stein in meiner Brust, und alles fühlte sich eng an. Doch dann öffnete ich ein anderes inneres Fenster und sah: Diese Absage war kein Scheitern, sondern eine Einladung. Plötzlich entstand Raum für das, was längst in mir reif war, aber keinen Platz gefunden hatte. Es war, als hätte das Leben mich ganz sanft, aber bestimmt auf einen neuen Weg geschoben – einen, den ich ohne diesen Bruch niemals betreten hätte. Ein Perspektivwechsel kann alles verändern. Vielleicht geht es genau darum im Leben: zu erkennen, dass wir nicht jedes Fenster offenhalten müssen – und dass manchmal gerade das Zuklappen einer Tür der Anfang von etwas Größerem ist. Loslassen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein stiller Akt von Vertrauen. Vertrauen in uns selbst, wo wir merken, dass wir nichts mehr festhalten müssen.
Menschen sind widersprüchlich
Wir sehnen uns nach Klarheit – und leben doch inmitten von Grautönen. Wir wollen Halt, Planbarkeit, Antworten. Und gleichzeitig verlangt das Leben von uns, uns dem hinzugeben, was wir nicht kontrollieren können. Manchmal brauchen wir einen Bruch, einen Verlust, ein Innehalten – um wirklich hinzusehen. Um zu erkennen: Nicht alles lässt sich festhalten. Nicht alles lässt sich erklären. Das Leben flüstert: „Die Saison ändert sich.“ Aber wir hören nicht. Wir halten fest. Bis wir gezwungen werden, loszulassen. Und genau hier beginnt der Perspektivwechsel. Nicht indem wir sofort wissen, was zu tun ist – sondern indem wir beginnen, anders zu schauen. Uns dem zu öffnen, was gleichzeitig wahr ist: Wir können trauern – und dennoch lieben. Zweifeln – und trotzdem hoffen. Zerbrechen – und daraus etwas Neues entstehen lassen.
Transformation geschieht nicht durch Kontrolle, sondern durch das Aushalten. Durch das Zulassen. Durch das Sehen mit neuen Augen. Vielleicht ist die Aufgabe nicht, Ordnung ins Chaos zu bringen – sondern zu lernen, das Chaos zu bewohnen. Uns selbst darin zu finden. Und vielleicht sogar eine neue Wahrheit: Eine, die nicht festgelegt, sondern lebendig ist. Denn was wir sehen, ist nie die Wahrheit – es ist immer nur ein Ausschnitt. Mit jedem Perspektivwechsel erweitern wir unseren Horizont. Mit jedem inneren Fenster, das wir öffnen, wächst unsere Fähigkeit zur Wandlung.
Das Leben ist keine Excel-Tabelle. Es ist nicht logisch, nicht gradlinig, sondern widersprüchlich, wild, weich. Und vielleicht geht es nicht darum, endlich Klarheit zu haben – sondern den Mut, Unklarheit zuzulassen. Und darin uns selbst neu zu entdecken.
Nachspüren
Stift und Papier. Kein Internet. Kein Handy. Frage dich: Was will ich nicht mehr mit mir herumschleppen? Vielleicht ist es der Druck, jemand sein zu müssen, der du nicht bist. Oder ein anstrengender Freund. Oder eine Vorstellung davon, wie du sein solltest. Loslassen bzw. Seinlassen beginnt mit Hinschauen.
Nachspüren 2 Urteile in Neugier verwandeln nach SIY Global
Wenn Teams auf jemanden mit einer anderen Perspektive treffen – besonders aus einer anderen Generation – ist es leicht, vorschnell zu urteilen. Emotionale Intelligenz hilft dabei, dieses Muster zu durchbrechen. Anstatt jemanden als „bockig“ oder „verwöhnt“ abzustempeln, halte inne und werde neugierig. Frage:
Was könnten sie wissen, das ich nicht weiß?
Welche emotionalen Erfahrungen könnten ihr Verhalten prägen?
Wie könnte ihre Sichtweise uns helfen, schneller etwas zu lernen?
Gerald Blomeyer, Berlin am 1. Juli 2025
PS: Ein herzliches Dankeschön an Friedhelm Fischer für unsere inspirierenden ‚Fenster-Gespräche‘.
Addendum
Wo du stehst, verändert, was du siehst – Eine Parabel aus Tibet
Ein junger Mann hat ein außergewöhnliches Talent fürs Reiten.
Die Leute im Dorf sagen: „Was für ein Glück!“
Doch ein alter, weiser Mönch entgegnet nur: „Mal sehen.“
Eines Tages stürzt der junge Mann vom Pferd und bricht sich das Bein. Seine vielversprechende Reitkarriere ist vorbei.
Die Dorfbewohner sagen: „Was für ein Pech!“
Der Mönch sagt wieder nur: „Mal sehen.“
Kurz darauf bricht ein Krieg aus. Alle jungen Männer des Dorfes müssen in den Kampf – nur der Junge nicht, wegen seines verletzten Beins.
Die Leute sagen nun: „Was für ein Glück!“
Der Mönch bleibt bei seinen Worten: „Mal sehen.“
Fazit:
Gute Nachrichten? Schlechte Nachrichten?
Wer weiß das schon. Alles ist Teil einer Reise. Was heute wie ein Unglück erscheint, kann morgen ein Segen sein – und umgekehrt.
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