„Wenn du anfängst, dein Einfühlungsvermögen und deine Vorstellungskraft zu entwickeln, öffnet sich die ganze Welt für dich.“
– Susan Sarandon„Jeder, der in seinem Leben ein gewisses Maß an Verlust erlebt hat, hat Empathie für diejenigen, die einen Verlust erlebt haben.“ – Anderson Cooper
Vom Vorstellen zum Einfühlen
Empathie ist nicht nur in der Konfliktlösung wichtig – sie ist auch die Grundlage für guten Small Talk. Als der kanadische Architekt Martin Golder begann, sich mit Empathie zu beschäftigen, wusste er zuerst nicht genau, was damit gemeint ist. Empathie bedeutet wahrnehmen, wie es dem anderen geht, ohne dass wir selbst das Gleiche fühlen müssen. Früher erlebte er oft Menschen, die sich über Kleinigkeiten aufregten. Innerlich dachte er: „Echt jetzt? Das ist dein Problem?“ Trotzdem sagte er freundlich: „Das muss schwierig für Sie gewesen sein.“ Und erstaunlich oft fühlten sich die Menschen dadurch verstanden.
Diese Art von „mechanischer Empathie“ wirkt sogar im Small Talk. Denn Small Talk funktioniert, wenn wir Interesse zeigen: ein Nicken, eine kurze Frage, ein Satz wie „Ah, interessant!“. Wir müssen nicht alles nachempfinden – aufmerksam und offen zu bleiben reicht schon. Empathie macht kurze Gespräche wärmer, leichter und menschlicher. Humor kann helfen, aber er ersetzt nicht echtes Interesse.
In der Mediation merkte Golder schnell, wie wichtig Empathie wirklich ist. Anfangs fehlte ihm das Gefühl dahinter, doch durch ruhiges, urteilsfreies Zuhören begann er zu verstehen, was Menschen bewegt. Er erlebte, wie eine einfache Entschuldigung zwei tief zerstrittene Personen wieder näherbringen konnte. Solche Momente zeigten ihm, welche Kraft in Stille, Humor, Tränen oder ehrlichem Bedauern steckt. Empathie heißt: sich in andere hineinversetzen. Sympathie dagegen bedeutet nur, jemandem nah zu sein, weil man Gemeinsamkeiten hat.
Meditation als Quelle für Empathie
Empathische Menschen erkennen Gefühle, akzeptieren sie und reagieren verständnisvoll. Doch echte Empathie entsteht durch echtes Interesse am anderen – nicht durch Selbstbezogenheit. Empathie bedeutet: mitfühlen, ohne mitzuleiden. Wir bleiben innerlich stabil und verlieren uns nicht im Schmerz des anderen. Aus buddhistischer Sicht ist Mitgefühl die klare, liebevolle Wahrnehmung des Leids eines Menschen, verbunden mit dem Wunsch, dass es ihm besser geht. Mitleid dagegen lässt uns das Leid so stark übernehmen, dass wir selbst leiden.
Um diese Balance zu finden, nutzte Golder Meditation. Besonders die buddhistische Mitgefühls-Praxis – liebevolle Güte bewusst auszustrahlen – half ihm, sich innerlich zu sammeln und schwierige Gespräche vorzubereiten. Er bemerkte: Schon wenige Minuten stille Freundlichkeit verändern die Atmosphäre. Menschen öffnen sich, werden ruhiger und zugänglicher. Oft lösten sich Konflikte allein durch diese Haltung – ohne große Worte.
Die Kraft wohlwollender Präsenz
Golder betont: Nicht Methoden, sondern eine freundliche, urteilsfreie Präsenz wirkt am stärksten. Wenn ein Mediator mit echter Güte in einen Raum kommt, verändert sich die Stimmung sofort – fast wie Magie. Diese Haltung ist nicht nur für Mediatoren wichtig, sondern für jedes menschliche Miteinander.
Buddhistische Lehren sagen: Mitgefühl beginnt bei uns selbst. Ohne Selbstfreundlichkeit fällt es schwer, anderen mit offenem Herzen zu begegnen. Wenn wir uns selbst annehmen – still, ohne Ego, wie die Sonne, die auf alle scheint – können wir auch anderen echtes Mitgefühl schenken. Ein einfaches Bild hilft: In jedem Menschen steckt ein Samenkorn des Mitgefühls. Wenn wir es pflegen, kann daraus eine Blume werden.
Nachspüren
Schenke ich mir genug Ruhe, um anderen mit echter Präsenz zu begegnen?
Bin ich bereit, meine eigene Welt für einen Moment zu verlassen, um andere wirklich zu verstehen?
Gerald Blomeyer, Berlin, am 27.11.1025
Foto von Bailey Burton auf Unsplash