Schulfreunde sehen sich (fast) jeden Tag, lernen Seite an Seite, teilen ihre Geheimnisse – und stürzen sich zusammen in unzählige Abenteuer. Isabelle Hellmann und Gerald Robin Blomeyer in Bad Godesberg, 1966
„Ein Freund, ein guter Freund,
das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.
Ein Freund bleibt immer Freund,
auch wenn die ganze Welt zusammenfällt.“
– Lied von 1930 von Werner Heymann und Robert Gilbert für die Tonfilm-Operette Die Drei von der Tankstelle. Bekannteste Version: Comedian Harmonists„Freundschaft ist die Wurzel von Glück.“ — Buddha
Sinn, Krisen und die Kunst, einfach da zu sein
Als meine Frau Eva Etta im Jahr 2004 plötzlich eine Notoperation brauchte, fühlte es sich an, als würde der Boden unter mir weggezogen. In meiner Hilflosigkeit rief ich zwei Freunde an. Sie zögerten keine Sekunde. Gemeinsam mit ihren Frauen standen sie wenig später im Krankenhaus – nicht mit Ratschlägen, nicht mit Lösungen, sondern einfach mit ihrer Anwesenheit.
Sie halfen mir, den Schmerz auszuhalten. Sie setzten sich – im übertragenen Sinne – mit mir „in den Schlamm“, wie Simon Sinek es nennt. Ein echter Freund bleibt an unserer Seite, auch dann, wenn wir zerbrochen, erschöpft oder noch längst nicht wieder ganz sind. In solchen Momenten entsteht eine Verbindung, die trägt. Kein großes Wort, kein großer Plan – nur echtes Dasein.
Buddha: „Ein wahrer Freund ist jemand, der in der Zeit der Not für dich da ist und im Gegenzug nichts erwartet.“
Tiefe Freundschaft ist das Ergebnis gemeinsamer Erfahrungen
Krisen können uns erschüttern, manchmal bis ins Mark. Und doch öffnen sie Türen, an die wir vorher nicht einmal gedacht haben. Manche finden neuen Sinn darin, anderen zu helfen, die einen ähnlichen Schmerz durchleben. Andere entdecken Sinn in Verantwortung, Fürsorge oder darin, mutig jeden Tag neu aufzustehen.
Wahre Freundschaft ist wie ein Anker im Sturm: Sie hält, wenn anderes ins Wanken gerät. Oft trägt sie verlässlicher als romantische Beziehungen – und sie lindert jene stille Einsamkeit, die manchmal bleibt, selbst wenn wir von Menschen umgeben sind.
Der Philosoph Alain de Botton weist in Secrets of Successful Friendships darauf hin, dass unsere Kultur romantische Liebe glorifiziert, während sie uns kaum beibringt, wie Freundschaft eigentlich funktioniert. Wir sprechen über Seelenverwandtschaft und große Gefühle – aber selten darüber, wie man zuhört, Konflikte aushält oder Nähe wachsen lässt. Dieses Versäumnis, so de Botton, ist ein Kern unserer modernen Einsamkeit. Für ihn ist Freundschaft ein Raum, in dem wir unsere verletzlichsten Seiten zeigen dürfen – ohne Maske, ohne Rollen. Sie ist nicht nur Trost gegen Isolation, sondern auch ein Motor innerer Reifung.
Authentizität als Herzstück echter Verbindung
Unterschiedliche Freundschaften sprechen unterschiedliche Einsamkeiten an: die, in der wir uns unverstanden fühlen; die, in der wir Halt brauchen; oder die, in der uns Inspiration fehlt. Tiefe Freundschaft entsteht manchmal durch das stille „Ich bleibe“, auch wenn es unbequem wird.
Freundschaft ist keine angeborene Gabe, sondern eine erlernbare Kunst: zuhören, unterstützen, gemeinsam Hürden nehmen – und Erfahrungen teilen, die uns zusammenschweißen.
Die amerikanische Forscherin Brené Brown zeigt, dass wahre Zugehörigkeit dort beginnt, wo wir den Mut haben, unser echtes, unvollkommenes Selbst zu zeigen. Wer sich anpasst, nur um dazuzugehören, verliert nicht nur seine Authentizität, sondern auch die Chance auf echte Nähe.
Es braucht Mut, in einer immer lauteren, gespaltenen Welt authentisch zu handeln: offen zu bleiben, Verletzlichkeit zuzulassen, aus dem Herzen zu sprechen – getragen von Selbstakzeptanz und Würde. Tiefe Freundschaft ist kein Zufall. Sie ist eine Entscheidung. Immer wieder. Und sie beginnt mit dem Mut, echt zu sein.
Nachspüren
Welche Menschen in meinem Leben bleiben an meiner Seite, wenn es schwierig wird? Wo darf ich mein echtes, unvollkommenes Selbst zeigen – und was verändert sich in mir, wenn ich es zulasse?
Podcast-Meditation Mitgefühl für uns und andere
Vertiefe mit Der Kleine Prinz: 21. Kapitel: Freundschaft mit dem Fuchs
Gerald Blomeyer, Berlin, am 26.11.2025