„Macht ist nur für eine Sache gut: unser Glück und das Glück anderer zu erhöhen. Friedlich und glücklich zu sein ist das Wichtigste in unserem Leben, und doch laufen wir die meiste Zeit, in der wir leiden, unseren Verlangen nach; wir blicken in die Vergangenheit oder die Zukunft für unser Glück.“
– Thich Nhat Hanh, The Art of Power – Die Kunst, mit Macht richtig umzugehen
Die Macht des Mitgefühls
Jeder von uns kennt Momente, in denen Macht spürbar wird – ob in der Familie, am Arbeitsplatz oder im eigenen Denken. Es sind nicht nur große Titel oder Positionen, die Macht verleihen. Schon ein Gespräch, eine Entscheidung oder die Art, wie wir zuhören, kann beeinflussen, lenken und gestalten. Die Frage ist: Wie setzen wir diese Kraft ein – für Kontrolle, Dominanz und persönlichen Vorteil oder für Mitgefühl, Verständnis und echte Veränderung?
Macht fasziniert und schreckt zugleich. Sie kann Imperien errichten oder zerstören, Wege öffnen oder verschließen, Leben prägen oder vernichten. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie nutzen wir sie – mit Mitgefühl oder mit Manipulation?
Im buddhistischen Verständnis beginnt wahre Macht im Inneren – im Frieden mit sich selbst, unabhängig vom Urteil anderer. Es geht um Präsenz: zuhören, verstehen, bewusst handeln. Thich Nhat Hanh zeigt, wie der ständige Kampf um Kontrolle und Autorität uns vom Glück abhält und nur Stress erzeugt. Wahre Macht beruht auf fünf Kräften – Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Konzentration und Einsicht –, die keine Bestätigung von außen brauchen und doch alles verändern: wie wir leben, wie wir führen, wie wir die Welt gestalten.
Macht liegt im Blick anderer
Anerkennung durch andere macht uns sichtbar und wirksam. Mitgefühl wird dann mächtig, wenn es Handeln auslöst und echte Veränderungen bewirkt. Wer empathisch handelt, entschärft Spannungen, baut Vertrauen auf und stärkt Loyalität – in Beziehungen, im Alltag, im Beruf.
Besonders in Partnerschaften zeigt sich, wie entscheidend dieses Gleichgewicht ist. Viele scheitern nicht an fehlender Liebe, sondern am Umgang mit der eigenen Autonomie und den Bedürfnissen des Gegenübers. Sie passen sich zu sehr an oder bestehen stur auf ihrem Standpunkt. Wahre Stärke liegt darin, beides zu verbinden: sich selbstbewusst zu vertreten und zugleich das Gegenüber wahrzunehmen. Genau diese Mischung aus Macht und Mitgefühl schafft tiefe, nachhaltige Verbundenheit.
Macht als Energie
Auch im Beruf gilt dasselbe Prinzip: Entscheidungen sollten nicht nur nach Profit gefällt werden, sondern nach ihrer Wirkung auf Menschen, Umwelt und Gesellschaft. Mitgefühl, Demut und verantwortliches Handeln formen eine Kultur des Respekts – gegenüber Mitarbeitenden, Partnern und Kunden.
David McClelland unterscheidet zwei Arten von Macht: die persönliche – laut, risikofreudig, oft kurzfristig –, und die sozialisierte, die gestalten will, auf Vertrauen und langfristige Wirkung setzt. Erfolg und Wirkung hängen von der Motivation ab: gemeinwohlorientierte Führung schafft Kooperation und Nachhaltigkeit.
Unsere Sprache zeigt, wem Macht dient. Worte wie „Kampf“ oder „Sieg“ deuten auf dominierende Macht hin, während „unterstützen“, „begleiten“ oder „belohnen“ auf sozialisierte Macht verweisen. Macht ist Energie – sie kann brennen oder wärmen, zerstören oder bewahren. Unsere Worte zeigen, ob wir herrschen oder dienen wollen.
Nachspüren
Wenn du an deine eigene Macht denkst: Setzt du sie – bewusst oder unbewusst – eher für dich selbst ein oder für andere?
Welche Sprache benutzt du im Alltag – die der Kontrolle oder die, die mitfühlend Verbindung schafft?
Podcast-Meditation Mitgefühl für uns und andere
Gerald Blomeyer, Berlin am 15.09.2025
Angeregt vom Artikel von William D. Spangler und Aleksey Tikhomirov: „Personal Power vs. Socialized Power: What Machiavelli and St. Francis Can Tell Us About Modern CEOs“
„Wir brauchen mehr Führungspersönlichkeiten, die bereit sind, während ihrer Amtszeit Mensch zu sein.“ Jacinda Ardern, die ehemalige Premierministerin von Neuseeland, setzt sich in The Daily Show mit Jon Stewart zusammen, um über ihre Erfahrungen im Amt zu sprechen, die sie in ihrer Autobiografie „A Different Kind of Power“ sowie in der bevorstehenden HBO-Dokumentation „Prime Minister“ schildert.
Ein Memoir — »Warmherzig und humorvoll … von emotionaler Tiefe und Ehrlichkeit« The Guardian – New-York-Times-Bestseller