“You dream. You plan. You reach. There will be obstacles. There will be doubters. There will be mistakes. But with hard work, with belief, with confidence and trust in yourself and those around you, there are no limits.”
– Michael Phelps, der erfolgreichste Olympiateilnehmer aller Zeiten mit 23 Goldmedaillen, spricht offen über seine Depressionen. Diese stehen im Zusammenhang mit der schwierigen Beziehung zu seinem Vater und dem enormen Druck des Leistungssports. Nach eigenen Angaben sind die Momente, in denen er seine Erfahrungen mit psychischen Problemen teilt, „um Lichtjahre wertvoller als der Gewinn einer Goldmedaille bei Olympia“.
Nicht gesehen und gehört werden
Manchmal traf es mich unerwartet – etwa, wenn eine Beziehung nicht funktionierte und ich nicht wusste, warum. Oder wenn ich nachts wachlag, obwohl alles ruhig war. Wenn mich dann aus dem Nichts eine Welle aus Wut überrollte.
Bei mir war es mein Vater. Nicht, dass er nicht da gewesen wäre – sondern dass ich mich nicht gesehen fühlte. Egal, wie sehr ich mich bemühte. Also bin ich gerudert. Tag für Tag trainierte ich. Körperlich fit, mit technischen Fähigkeiten ausgestattet, trainierte ich auch mentale Stärke – also die Fähigkeit, mit Rückschlägen und Misserfolgen umzugehen. Mein Körper schrie, aber ich hörte nicht auf. Ich wollte Anerkennung. Ein Zeichen von Stolz in seinen Augen. Nur einmal. Aber es kam nichts.
Irgendwann habe ich verstanden: Es ging nie nur ums Rudern. Es ging darum, den Schmerz in Leistung zu verwandeln. Die Hoffnung war: Wenn ich nur gut genug bin, wird irgendetwas in mir heil. Aber so funktioniert Trauma nicht – auch wenn das, was wehgetan hat, längst vorbei ist. Trauma sitzt nicht nur im Kopf. Es lebt im Körper – in Muskeln, in Haltungen, im Atem. Deshalb reagieren wir mit Rückzug, Kontrolle, Wut, Kälte. Alles Schutzmechanismen. Psychologen sagen: So wird aus dem Kind, das nicht gesehen wurde, ein Erwachsener, der sich selbst nicht sehen kann.
Alles willkommen heißen
Worte reichen oft nicht dorthin, wo es wirklich wehtut. Die Angst sitzt tiefer – im Körper selbst. Was wir brauchen, ist keine neue Erklärung, sondern eine neue Erfahrung. Eine, die dem Körper zeigt: Du bist jetzt sicher. Du bist nicht mehr hilflos.
Stell dir vor, du durchlebst eine alte Szene aus deiner Kindheit – aber diesmal bist du nicht allein. Da ist jemand bei dir. Jemand, der dich hält. Der sagt: Ich sehe dich. Ich bin da. Ich liebe dich. Und dann geschieht etwas. Etwas in dir beginnt zu glauben, dass es wahr ist.
Zuerst glauben wir, wir wüssten, wer wir sind. Ich bin das, sagen wir – als wäre da eine klare Grenze, eine Linie zwischen dem Ich und dem das. Doch irgendwann beginnt diese Linie zu flimmern. Ich und das – sie nähern sich an. Sie verschwimmen. Und dann, ganz leise, lösen sie sich auf. Da ist keine Trennung mehr. Nur noch ein tiefes, wortloses Wissen: Ich bin das, was ist. Kein Gedanke, kein Konzept – sondern ein Erkennen. Eine Wahrheit, die im Innersten vibriert. Es ist alles in dir. Alles.
Ankommen
Und dann lassen wir los – erst das das, dann das Ich. Was bleibt? Nichts – und doch alles. Ein stilles Sein. Ohne Namen. Ohne Etiketten. Ohne irgendetwas, das mehr sein müsste als genau das. Dein Körper merkt es sich – als wäre ein neues Kapitel geschrieben worden. Eines, das gut ist. Das heilt.
Irgendwann spüren wir Mitgefühl. Mit uns selbst. In der liebevollen Akzeptanz verlieren Gedanken und Gefühle ihre Schärfe – sie schmelzen dahin wie Eiswürfel auf warmer Haut. Alles, was wir fühlen, gehört zu uns. Schmerz, der vergeht, sinkt leise in uns zurück, wird weicher, stiller. Er darf da sein, ohne uns zu erdrücken. Dann kommt dieses warme, stille Verstehen: Ich habe mein Bestes gegeben. Ich war ein Kind. Jetzt sehe ich das. Und es ist vorbei. Und genau dann begreifen wir: Es war nie unsere Schuld.
Uns ganz zu fühlen ist kein Plan. Es ist ein Experiment – so wie das Leben. Und vielleicht – nur vielleicht – liegt genau darin die Chance, endlich anzukommen. Bei uns selbst.
Nachspüren
Wie fühlt es sich an, gesehen und geliebt zu werden – ganz ohne Leistung?
Was verändert sich in dir, wenn du glaubst: Ich bin genug, genau so wie ich bin?
Podcast-Meditation Dem Inneren Kind begegnen – Eine Meditation im Liegen
Gerald Blomeyer, Berlin am 19. Juni 2025
Foto aus dem Archiv: KPM Berlin