Gerald in Sankt Peter-Ording (c) Tom Pingel

 

Jeder erlebt schwierige Zeiten – doch es zeigt sich an deinem Willen und deiner Hingabe, wie du mit ihnen umgehst und ob du gestärkt daraus hervorgehst.Lakshmi Mittal, indischer Unternehmer und Milliardär.

Pick yourself up / Take a deep breath / Dust yourself off / And start all over again.“ – Swing Time (1936) getanzt von Fred Astaire and Ginger Rogers

 

Wachse, stolpere, wachse weiter

Wachstum und Resilienz gehören zusammen. Sie beginnen nicht erst, wenn der Sturm losbricht, sondern mit dem, was uns wirklich wichtig ist – mit dem, was uns ausmacht. Unsere Werte sind wie Anker im Chaos, wie Laternen auf einem dunklen Pfad. Sie erinnern uns daran, wer wir sind, selbst dann, wenn wir es fast vergessen hätten.

Wer wachsen will, sieht Rückschläge nicht als Scheitern, sondern als Teil des Prozesses – denkt nicht: „Ich kann das nicht“, sondern: „Ich kann das noch nicht.“ Und genau da beginnt Resilienz: Wie Fred Astaire fällst du hin, wischst dir den Dreck ab – und gehst weiter. Nicht perfekt, aber stärker.

Manchmal tut es richtig weh, bringt uns an den Rand. Aber genau dort, in diesem rauen Grenzbereich, zeigt sich, was in uns steckt. Wer weiß, wofür er steht, kann auch dann aufrecht bleiben, wenn alles andere auseinanderbricht. Wir lassen uns berühren, schauen hin und sind ehrlich – auch wenn’s unangenehm ist. Was haben wir übersehen? Was traut sich keiner zu sagen? Welche Wahrheit muss ans Licht?

Unsere Widerstandskraft wächst dort, wo Vertrauen lebt. In einer Kultur, die Raum gibt – für Klarheit, für echte Gespräche, für den Mut, sich selbst zu prüfen. Denn jedes Mal, wenn wir wieder aufstehen, sind wir nicht mehr dieselben. Wir sind klüger. Fester. Ein Stück weiter.

 

Die Komfortzone verlassen – ein mutiger Tanz ins Unbekannte

William und Susan Bridges nehmen uns in ihrem Buch Managing Transitions: Erfolgreich durch Übergänge und Veränderungen führen mit auf eine Reise durch die drei Phasen des Übergangs – das Ende, die neutrale Zone und den Neuanfang. Besonders die neutrale Zone ist kein bloßes Warten – sie ist ein kostbarer Raum, in dem wir innehalten, loslassen und uns von alten Identitäten lösen. Hier spüren wir, was uns wirklich bewegt: die Höhen und Tiefen unseres bisherigen Weges, die Emotionen, die uns begleiteten, die Lektionen, die wir gelernt haben. Was wollen wir mitnehmen? Was lassen wir zurück? Gerade wenn die Zukunft neblig erscheint, schenkt uns diese Zwischenzeit Klarheit – über das, was wir nicht mehr wollen, und über das, was uns wirklich wichtig ist.

Es gibt keine Fehler, nur Hinweise. Alles, was uns begegnet, sind Wegweiser zurück zu uns selbst. Denn echte Veränderung beginnt innen, mit einem bewussten Innehalten: Was ist gerade da? Was will gefühlt, gesehen, erkannt werden? Wenn wir nicht hinhören, verlieren wir die Orientierung und treffen Entscheidungen, die sich leer anfühlen. Doch auch das ist kein Scheitern, sondern Feedback. Jeder Umweg erzählt seine Geschichte. In der Tiefe geht es darum, still zu werden und der eigenen inneren Stimme zuzuhören.

 

Dem Leben seinen Lauf zu lassen, ist ein Akt des Vertrauens.

Das Buch ist fertig. Die letzte Seite geschrieben, der letzte Punkt gesetzt – und doch fühlt es sich nicht nach einem Ende an. Es ist, als hätte ich gerade erst den ersten richtigen Atemzug genommen. Was fühlt sich heute nach Wachstum an? Was braucht diese Phase, dieser Moment, ich selbst? Es sind nicht die großen Pläne, nicht die schnellen Antworten. Es ist diese stille, ehrliche Frage an mich selbst: Bin ich gerade da, wo ich sein soll?

Dieser Akt des Vertrauens in das Leben verbindet uns mit unserer Intuition, hilft, innere Klarheit zu finden und dem natürlichen Fluss des Lebens zu folgen. Wer die Kontrolle loslässt und innehält, kann bewusst zuhören – uns selbst, anderen und dem Leben. Nicht alles erfordert sofortiges Handeln; manches kommt zur rechten Zeit.

Neulich in München kam mir die Einsicht im Gespräch mit einer Freundin: Veränderung beginnt immer in uns selbst. Immer. Kein kluger Ratschlag, kein noch so durchdachtes Konzept kann ersetzen, was es braucht, um in den Spiegel zu schauen und ehrlich zu bleiben. Es ist ein Tanz. Zwischen „Ich weiß nicht“ und „Ich bin genau richtig“, zwischen alten Geschichten und bereit zu sein, anders hinzusehen. Vielleicht ist genau das der nächste Schritt: nicht zu rennen, sondern zu verweilen. Nicht sofort weiterzumachen, sondern zu spüren.

Wenn mein Wesen Bewusstsein ist – klar, offen, liebevoll – dann will ich genau das weitergeben. Nicht als Antwort, sondern als Einladung. Zum Mitfühlen. Zum Mut fassen. Zum Menschsein. Diese Zwischenzeit verlangt Geduld, um das Nichtwissen liebevoll zu halten. Sich selbst Raum zu geben, auch wenn es sich leer anfühlt. Selbstmitgefühl ist dann überlebenswichtig. Denn wer sich selbst kennt, muss nicht mehr gegen sich kämpfen. Wer seine Sehnsucht versteht, hört auf, sich zu zwingen. Und beginnt zu tanzen. Nicht perfekt. Aber echt.

Nachspüren

Wie finden wir das Gleichgewicht zwischen Machen und Geschehenlassen? Harte Arbeit bereitet uns vor – Mut zum Loslassen öffnet den Weg für das, was zu uns gehört.

Horch in dich hinein: Welche leisen Stimmen oder Gefühle wollen gerade gesehen und verstanden werden? Was sagt dir dein Herz, wenn du ganz ehrlich und ohne Ablenkung auf den nächsten Schritt in deinem Leben blickst?

 

Gerald Blomeyer, Berlin am 2. Mai 2025

 

Zusatz

Vier Aspekte der Transformation
Wir übernehmen Verantwortung für unsere Situation, anstatt uns in der Rolle des Opfers zu sehen.
Diese Perspektive ist unbequem – doch wir sind bereit, uns dem Unangenehmen bewusst zu stellen, anstatt davor zu fliehen.
Sobald wir uns zu sicher fühlen, verlieren wir unsere Neugier – und damit die Fähigkeit zu wachsen.
Transformation erfordert Anpassung: Anstatt Vergangenes wiederherzustellen, denken wir Dinge von Grund auf neu.

 

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