Blomeyer & Milzkott Gmbh; Rainer links, Gerald rechts

 
 
Was bist du bereit aufzugeben, um zu werden, wer du bist? Alles Gute, was ich je im Leben erreicht habe, habe ich nur bekommen, weil ich etwas anderes aufgegeben habe.“ – Elizabeth Gilbert, amerikanische Bestseller-Autorin
 
Ab einem bestimmten Punkt gibt es keine Möglichkeit zur Rückkehr mehr. Dies ist der Punkt, der erreicht werden muss.“ – Franz Kafka, österreichisch-tschechischer Schriftsteller
 
Lear, Othello, Macbeth, Timon von Athen (und Hamlet auf eine andere Art) lassen sich nicht ablenken oder erheblich von ihren erklärten Zielen abbringen. Tragödien sind das, was von Leuten geschaffen wird, die sich weigern, aufzugeben.“ – Adam Phillips, britischer Psychoanalytiker, On Giving Up
 
 
 

Die Illusion der Kontrolle

Die wichtigsten Ereignisse in meinem Leben waren nicht geplant; sie sind einfach passiert. Rainer Milzkott und ich hatten zur Wendezeit unsere gemeinsamen Überlegungen zu „Neuen Funktionen für die Berliner Mitte“ veröffentlicht. Dass der Berliner Senat und Magistrat uns beauftragten, eine Tagung mit dem Titel „Zentrum Berlin“ zu organisieren, um mit den besten Architekten und Planern Berlins und der Welt innerhalb von fünf Tagen die Stadt neu zu gestalten, war nicht vorhersehbar. Wir hatten weder über eine weitere Zusammenarbeit nachgedacht, noch über ein gemeinsames Büro gesprochen. Nach zwölf Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit gingen wir dann getrennte Wege.
 
Aufgeben bedeutet, zu akzeptieren, dass alles vergeht. Glauben wir, alles unter Kontrolle zu haben, sorgen wir uns nicht. Wenn es nicht so läuft, wie wir wollen, fühlen wir uns machtlos, ängstlich und unsicher. Unsere Versuche, alles zu kontrollieren und es so zu gestalten, wie wir es uns wünschen, sind illusorisch. „Helden geben nicht auf“ – so lautet ein gängiges Motto. Doch tragische Helden sind tragisch, weil sie festhalten und ihre Ziele bis zur Selbstzerstörung verfolgen. Ähnlich ergeht es uns, wenn wir stets unerschütterlich weitermachen wollen. Nicht aufgeben zu können, bedeutet, unfähig zu sein, Verluste zu akzeptieren, Schwächen ernst zu nehmen und notwendige Anpassungen vorzunehmen.


Die Herausforderung des Aufgebens

Jedes Ziel, das wir erreichen, geht mit einem Opfer einher. Um das Beste aus uns herauszuholen, müssen wir bereit sein, Dinge loszulassen. Dadurch schaffen wir Raum für Neues und mehr Platz fürs Leben. Die Kunst liegt darin, zu erkennen, wann wir unsere Grenzen akzeptieren und mit dem Kämpfen aufhören sollten, um uns lebendiger zu fühlen – und wann es angebracht ist, durchzuhalten.
 
Aufgeben verbinden wir oft mit Versagen, im schlimmsten Fall sogar dem Ende des Lebens selbst. Viele glauben, dass Aufgeben nur dann erlaubt ist, wenn es unvermeidlich wird. Es fällt uns schwer, weil es oft das Gefühl von etwas Unvollendetem hervorruft. Doch wir können diese Entscheidungen betrauern, ohne uns selbst zu bedauern. Es sind die Dinge, die enden, nicht wir.


Leben im Hier und Jetzt bedeutet, Aufgeben als Stärke zu sehen

Aufgeben muss kein Zeichen von Schwäche sein. In einer sich ständig ändernden Welt können wir nicht immer dasselbe tun. Oft bestimmen die Ereignisse selbst den Verlauf unserer Geschichte. Unser Leben besteht aus verpassten Chancen und kaum genutzten Möglichkeiten. Aufgeben kann sinnvoll sein, denn es erlaubt uns, Unvorhergesehenes zu akzeptieren, anstatt krampfhaft die Kontrolle behalten zu wollen.
 
Wir werden von den Wellen des Schicksals hin und her geworfen und treiben unaufhaltsam dem Lebensende entgegen. Was wollen wir in der Summe unseres Lebens erreichen? Pläne und Wünsche richten sich immer auf eine ungewisse Zukunft. Es geht aber darum, uns auf das einzulassen, wo wir tatsächlich stehen – besonders, wenn sich unser perfekt durchgeplantes Leben beengt oder leer anfühlt. Carl Jung schrieb, dass er als Schüler sein Leben erst in den Griff bekam, als er seine „Lebensaufgabe“ vereinfachte: Er wollte nur noch die Schule bestehen.

 

Nachspüren

Indem wir loslassen und aufgeben, öffnen wir die Hand – und damit unser Herz. Nur eine offene Hand kann Neues empfangen, nur ein offenes Herz kann wirklich fühlen. Wie können wir unser Herz öffnen, um sowohl die Freuden als auch die verborgenen Leiden in uns selbst und in anderen wahrzunehmen? Wie verändert diese Sicht unser Gefühl der Verbundenheit mit allen Menschen?
 
 
Podcast-Meditation: Entdecke die Weite in dir
 
 
 
Gerald Blomeyer, Berlin am 9. Oktober 2024
 
 
Foto (c) Udo Hesse

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