Joan Halifax ist eine US-amerikanische Anthropologin, Zen-Lehrerin, Autorin und Menschenrechtsaktivistin. Sie ist Gründerin und Äbtissin des Upaya Institute and Zen Center, eines buddhistischen Zentrums in Santa Fe.

Der Text stammt vom Video

In der rechten Hand von Manjushri befindet sich ein Schwert, das die Präzision und Klarheit des Geistes symbolisiert. In seiner linken Hand hält er eine blaue Lotusblume, die die Vereinigung von Mitgefühl und Weisheit verkörpert. [Auf der Blüte liegt das Buch über die „Vollkommenheit der Weisheit“, das sowohl die Quelle als auch die Verkörperung seines erleuchteten Verständnisses darstellt.]

Der blaue Lotus gedeiht nur im Feld des Leidens.

Das erinnert mich an ein Buch von Thich Nhat Hanh mit dem Titel Lotus im Meer des Feuers. Es war eine radikale Friedenserklärung an unser Land, das damals Vietnam und Kambodscha bombardierte. Die blaue Lotusblume blüht nur im Meer des Feuers; sie gedeiht nur im Feld des Leidens. Dies verweist auf eine tiefere Bedeutung in der Praxis: Es geht nicht nur um die einfache Vereinigung von Weisheit und Mitgefühl, sondern darum, dass diese Qualitäten untrennbar miteinander verbunden sind. Weisheit und Mitgefühl sind nicht wie zwei Enden eines Stocks; sie sind vielmehr wie Welle und Wasser – völlig untrennbar. Die Verwirklichung von Mitgefühl erfordert Weisheit, und das Erwachen zur Weisheit basiert auf der Erfahrung von Mitgefühl.

Dieses Bild berührt uns heute zutiefst, während wir über die Kriege nachdenken, die auf unserem Planeten toben: die Trümmerfelder von Gaza, die Wut und das Leid in Israel, die eisige Kälte der Ukraine und die Konflikte im Jemen, im Sudan und an vielen anderen Orten. Wir befinden uns an einem Ort, an dem die Menschen bereits einiges an Erschütterungen erlebt haben, zweifellos. Aber es ist auch ein Ort, an dem wir in diesen warmen, schützenden Raum eintreten können. Hier können wir beginnen, nicht nur unsere Reaktionen auf die Schlachtfelder, mit denen viele von uns verbunden sind, zu erkunden, sondern auch auf die metaphorischen Schlachtfelder: das Sitzen am Bett eines sterbenden Menschen, das Beistehen von Menschen im Todestrakt, die Kämpfe des Krieges, der Gier, der Klimakatastrophe und die inneren Konflikte unseres eigenen Geistes. Es ist radikal, was in uns vorgeht, wenn wir in einem Raum sitzen, der Struktur bietet und relativ frei von Bedrohung ist – ein Raum, in dem wir die Fähigkeit entwickeln können, im Meer des Feuers unserer täglichen Herausforderungen zu verweilen, die weltweit spürbar sind.

Es ist wichtig, uns dem Leiden zu stellen.

Der Buddhismus handelt nicht von Loslösung, sondern vom Gegenteil. Es geht nicht um Gleichgültigkeit oder um eine abgeflachte Interpretation von Gleichmut. Vielmehr geht es um unsere Fähigkeit, uns dem Leiden zu stellen – sowohl innerlich als auch äußerlich – und zu verstehen, dass beides tief miteinander verbunden ist. Es ist von großer Bedeutung, tief zu schauen. Unsere Praxis erlaubt uns, uns dem inneren Licht zuzuwenden, das unsere Schwierigkeiten nicht verschleiert, sondern sie sichtbar macht. Ohne dieses Licht wird die blaue Lotusblume nicht blühen. Es ist wichtig zu begreifen, dass dies ein Prozess ist – eine Erfahrung, die uns auffordert, nicht wegzusehen, sondern tief in unser eigenes Leben und in das Leben dieser Welt zu blicken, die nicht getrennt voneinander sind. Sich mit dem eigenen Leiden auseinanderzusetzen, erlaubt uns, in einem Zustand von Empathie und Verbundenheit zu sein. Es erweitert unser Bewusstsein, sodass wir das „Meer des Feuers“ in uns verstehen können. Dies ist der Weg, auf dem unser eigenes Mitgefühl und unsere Weisheit erblühen werden. Aber es ist auch eine schwierige Aufgabe.

 

Mantra nach https://buddhaweekly.com/

Das Manjushri-Mantra Om Ah Ra Pa Tsa Na Dhih steht für die erleuchtete Rede aller Buddhas. Unsere gewöhnlichen, weltlichen Wahrnehmungen werden zu Wahrnehmungen der Buddhas. Nach dem OM folgt ARAPACHANA, das Silbenalphabet mit zweiundvierzig Buchstaben in der Gandhari-Sprache (Sanskrit, Pali, etc.), sowie Dhih.

  • OM — steht für die erleuchtete Form von Körper, Sprache und Geist.
  • AH — steht für das direkte Verständnis der Natur der Phänomene und die Erkenntnis der Leere als die wahre Natur unseres Geistes sowie aller äußeren Phänomene.
  • RA — betont die Leere des Selbst.
  • PA — steht für Meditation, die nicht-konzeptuell ist, bei der wir die Natur der Phänomene direkt wahrnehmen.
  • TSA — symbolisiert die Leere von Samsara und Nirvana. Wir leiden, wenn wir Samsara nicht verstehen, und erleben Frieden, wenn wir es verstehen.
  • NA — steht für Karma, welches besagt, dass alles Leid das Ergebnis unserer früheren unheilsamen Handlungen ist, und unser Glück das Ergebnis unserer früheren heilsamen Taten.

Dhih überwindet Unwissenheit.

Manjushris Mantra endet mit der Silbe Dhih. Wir wiederholen sie so oft wie möglich, als ob unsere Stimmen mit der Einheit des Universums oder der Leere verschmelzen. Wir singen diese Silbe mit jedem Atemzug leiser und leiser, als ob wir selbst mit der Leere verschmelzen. Dabei stellen wir uns vor, wie unser Atem unzählige goldene Dhihs aussendet, die wie Manjushri selbst das Universum segnen und alle negativen Karmas, Energien und Unreinheiten reinigen, die aus Unwissenheit entstehen.

 

Manjushri – Joan Halifax

In the right hand of Manjushri is the (flaming) sword, which symbolizes the quality of mind characterized by a kind of preciseness. In the left hand, Manjushri holds a blue lotus, which exemplifies the union of compassion and wisdom. [On the lotus is a volume of the Perfection of Wisdom, representing both the source and embodiment of his awakened understanding.]

It reminds me of a book by Thich Nhat Hanh called Lotus in a Sea of Fire. It was a radical declaration of peace made to our country, which was bombing his country, Vietnam, and Cambodia. The blue lotus only blooms in a sea of fire; it only blooms in the field of suffering. This points to something so powerful about this practice. It is not just the simple union of wisdom and compassion but an example that wisdom and compassion are not like two ends of the same stick. They are actually more like wave and water, completely inseparable. Actualizing compassion requires wisdom, and awakening to wisdom is based on the experience of compassion.

This image is very poignant to many of us today as we contemplate the wars raging on our planet: the wreck of Gaza, the anger and anguish of Israel, the blistering cold of Ukraine, and what is happening in Yemen and Sudan and so many other places. We are here in a place where people have had some upsets, no doubt about it. But it is also a place where we can actually enter into this beautiful, warm, and holding space. Here, we can begin to explore not only our response to the charnel grounds that many of us are connected to, but also distantly connected to the charnel ground of sitting at the bedside of a dying person, the charnel ground of sitting with people on death row, the charnel ground of war, the charnel ground of greed, the charnel ground of this climate catastrophe, and the charnel ground of our own minds. It’s really radical what happens between our ears when we sit in a space where there is structure but also a relative absence of threat—a space where we have the capacity to sit in the sea of fire of our everyday circumstances happening across the whole planet.

Buddhism is not about detachment but about the opposite. It is not about indifference or a flattened, cipher-like experience of our interpretation of equanimity. It is actually about our capacity to turn toward the truth of suffering, both internally and externally, and to understand that they are deeply connected. It’s very important to look deeply. We realize that our practice allows us to turn toward the light within, which does not obscure our difficulties but actually makes them visible. Without that, this blue lotus won’t bloom. It is important to understand that this is a process, an experience where we are asked not to bypass but to look deeply at our lives and the life of this world, which is not separate. Coming into a relationship with our own suffering allows us to be in a state of empathy, of connection, of expanding our subjectivity to understand the sea of fire within us. This is what will cause our own compassion and wisdom to flower. That’s a tough assignment.

 

 

 

Image: https://meditationonlongisland.org/

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