„Je mehr wir uns mit dem bewussten Willen bemühen, etwas zu tun, desto weniger werden wir Erfolg haben.“ – Aldous Huxley, Das Gesetz der umgekehrten Anstrengung
„Wir werden nichts erreichen, wenn wir nicht die Trägheit, die Langsamkeit und die Faulheit aufgeben“. – Lama Zopa Rinpoche
„Wenn wir verstehen, dass es bei der Befreiung nicht darum geht, etwas zu bekommen, sondern darum, loszulassen, dann ändert sich die Art und Weise, wie wir praktizieren.“ – Joseph Goldstein
Druck erzeugt unsichtbare Probleme
Beim Meditieren bemühen wir uns oft, alles richtig zu machen. Doch Meditieren unterscheidet sich vom harten Arbeiten und dem Streben nach Erfolg. Wenn wir kämpfen, vergessen wir, wie schön es ist, sich auf den Fluss des Lebens einzulassen und nichts erzwingen zu wollen. Indem wir die Dinge auf natürliche Weise geschehen lassen, folgen wir achtsam dem Weg des geringsten Widerstands.
Unsere wahre Natur ist das Bewusstsein, in dem die Gedanken erscheinen. Dieser Zustand ist vollkommen ruhig und hat nichts mit Namen oder Formen zu tun. Das Denken und das Ego führen dazu, dass wir die Formen benennen und als getrennte Realitäten sehen, anstatt sie und uns als Teil eines Ganzen zu erleben. Buddhas erste edle Wahrheit sagt, dass das Leiden eine Folge vom Verlangen ist. Das Ende des Verlangens können wir für einen Augenblick üben und die Weite in uns erfahren. Der tibetische Lehrer Tulku Urgyen empfahl: „Übe es in kurzen Momenten, aber viele Male.“ In unserer Meditationspraxis sitzen wir oft und wollen etwas. Doch alles, was entsteht, wird auch vergehen. Daher gibt es nichts zu wollen. Hass, Gier und Unwissenheit sind entwurzelt.
Lass den Druck los
Der amerikanische Meditationslehrer Joseph Goldstein empfiehlt, gelegentlich den Satz „nicht wollen“ in die Praxis einfließen zu lassen, um das nach vorne Lehnen in den Prozess zu stoppen. Das erzeugt ein Gefühl der Erleichterung, der Leichtigkeit und des Friedens. Diese Natur des freien Geistes können wir kurz erfahren – kurze Momente, viele Male. Das verändert unser Verständnis des Lebens und des Weges, wie wir praktizieren. In der Kunst des Nicht-Erzwingens finden wir Trost im Zulassen. Wir brauchen nichts zu tun, um zu erwachen. Denn das, was wir suchen, sind wir bereits. Das ist die grundlegende Erkenntnis der absoluten Wahrheit. Wir sind das Höchste und können das Höchste deshalb nicht finden, indem wir es suchen. Wir lassen unsere falschen Vorstellungen und Konzepte darüber, wer und was wir sind, los. Wenn wir alle falschen Glaubensmuster beseitigt haben, bleibt unsere wahre Natur übrig.
„Plötzliches Erwachen, allmähliche Kultivierung“ – Chinul, koreanischer Chan-Meister
Die Finnin Viivi Jokela hatte im Jahr 2022 ein spontanes, tiefes Erwachen zur wahren Natur, gefolgt von intensiven Gewöhnungsphasen. In der Interviewsendung Batgap, wo es um das Erwachen normaler Menschen geht, beschreibt sie die Bedingungen für eine solche intime Beziehung zu unserer verkörperten Erfahrung, Gefühlen, Gedanken und Empfindungen. Dabei ist es wichtig, die nicht-rationale instinktive Intelligenz zu respektieren, die unserem Körper innewohnt. Wir heißen das Spektrum der starken Emotionen wie Scham, Hass oder Aggression willkommen. Unterdrücken wir nichts in uns selbst, können wir diese Qualitäten in anderen Menschen respektieren. Unser rationaler Geist will alles verstehen und kann es nicht. Schließlich lässt der Geist los. Wir sind offen und neugierig, ohne zu versuchen, irgendwohin zu gelangen. Anstatt einen erwachten Zustand erreichen zu wollen, empfiehlt Viivi, alles so sein zu lassen, wie es ist. „Wir müssen aufhören, zu versuchen, es geschehen zu lassen, aufhören, irgendetwas zu tun. Wenn wir aufhören, die Erfahrung auf eine bestimmte Weise zu steuern, geschieht das Erwachen einfach durch Gnade.“ Hilfreich ist dabei echte Neugier, das ständige Gefühl von „Ich weiß nicht, was das ist“ und „Ich bin wirklich neugierig“, „Ich bin offen“. Es ist eine kindliche, nicht naive, sondern pragmatische Neugier. Kinder spielen ohne Absicht.
Nachspüren
Wer Sicherheit in der äußeren Welt sucht, wird sie nie finden. Sie ist eine Illusion, die am Bekannten festhält. Beim Meditieren treten wir einen Schritt zurück vom Geist und beobachten, was passiert. Wir umarmen alle Facetten des Lebens und sind dankbar, dass wir uns dessen bewusst sind, was wir fühlen. Beobachte den Geist. Womit identifizierst du dich? Welche konditionierten Denkmuster hast du? Kannst du die Unterschiede zwischen der Stimme des Egos und der tatsächlichen Situation erkennen?
Gerald Blomeyer, Berlin am 20. Juli 2024
Foto: Morgengruß aus dem Barefoot College, Tilonia, Indien 2010