Als menschliche Wesen sind wir immer sowohl verwundet als auch ganz.“ – John J. Prendergast, Psychotherapeut
 
Egal, was wir erlebt haben und wie unzulänglich wir uns fühlen, wir sind im Grunde ganz.“ – Tulku Urgyen Rinpoche, buddhistischer Lehrer
 

 

Das offene, wache Bewusstsein bleibt von der Konditionierung unberührt.

Im tibetischen Buddhismus ist die Vorbereitung auf den Tod wichtig. Wir sollen erkennen, dass alles, was wir erleben, vergänglich ist. Wir nehmen ernst, was uns geschieht, obwohl es unwirklich ist. Um uns daran zu erinnern, konzentrieren wir uns auf die Natur des Geistes (Rigpa) und ruhen darin. Unabhängig davon, ob die Welt Kopf steht, sollen wir uns zurücklehnen und nicht alles kategorisieren. Es ist wichtiger, sich einfach einzulassen, egal was los ist. Nur der Mensch ist in der Lage, seine grundlegende Natur zu erkennen. Wir sind uns der harten Schicksalsschläge bewusst, die wir ertragen haben, aber sind nicht davon beeinflusst. Wir können unsere natürliche Offenheit nur vorübergehend begraben oder vergessen. In jedem Augenblick können wir unsere unversehrte Ganzheit erfahren, wenn wir unsere Grenzen und Fehler anerkennen. Dann fällt es uns leichter, uns selbst mit liebevoller Neugier anzunehmen. Wir sind bereit, auch schwierige Gefühle anzunehmen, unangenehme Empfindungen wahrzunehmen und Glaubenssätze zu hinterfragen.
 

Unser Verhalten und unsere Beziehungen besser verstehen

Bewohnen wir unseren Körper als von Bewusstsein durchdrungen, beginnen sich die schützenden Grenzen zwischen innerer und äußerer Erfahrung aufzulösen. Im Körper sind wir überall präsent, offen und bewusst. Wir können den inneren Raum kontinuierlich mit der Umgebung als Einheit erleben. Wenn wir das erkannt haben, können wir sowohl die Teile in uns als auch das Ganze sehen, sowie die Veränderungen beobachten, die in uns stattfinden. Im Körper finden wir die inneren Quellen der Kraft und Freude wieder, die durch die Traumata verletzt wurden. Wir erleben den Ausdruck und das Gefühl der eigenen Präsenz, fühlen uns sicher, dem Leben gegenüber offen und aufnahmefähig. Wo wir von verheerenden Ereignissen überwältigt wurden, erleben wir uns als mit der Erde verbunden. Unser Selbstwert und Selbstmitgefühl erfreuen sich an den Reaktionen des Herzens und den Einsichten des Verstands.
 

Gedanken wie Wolkendecken sich allmählich auflösen lassen

In der buddhistischen Praxis geht es um intellektuelles Verstehen, Erfahren und Verwirklichen. Zuerst hören wir, dass das Bewusstsein unsere Natur ist. Wir bekommen einen Vorgeschmack auf die Essenz des Geistes. Indem wir uns nicht von Gedanken mitreißen lassen, gewöhnen wir uns an die leere, erkennende Natur und lösen uns vom Strom des verblendeten Denkens. Gedanken kommen und zerstreuen sich wie Wolken in einem sonnendurchschienenen Raum, der vom Bewusstsein nicht zu trennen ist. Dzogchen-Meister Tulku Urgyen Rinpoche sagte: „Wir vollbringen oder erschaffen den sonnenbeschienenen Himmel nicht. Wir können die Wolken nicht wegschieben, aber wir können zulassen, dass sich die Wolken der Gedanken allmählich auflösen, bis schließlich alle Wolken verschwunden sind. Die endgültige Verwirklichung tritt ein, wenn keine Spur von den Wolkenschichten mehr vorhanden ist.“ An diesem Punkt ist der gedankenfreie Zustand mühelos, ebenso wie unsere Fähigkeit, allen Wesen zu nützen. Unsere Natur erkennt, erfährt und nimmt wahr. Alles, was wir tun müssen, ist, es so zu lassen, wie es ist.
 
Am Montag werden wir die Meditation „Das verkörperte Bewusstsein – eine Variante des Yoga Nidra“ üben
 
 

Nachspüren

Lege die Hände mit den Handflächen nach unten auf die Beine. Nimm dir Zeit, um dir der Hände bewusst zu werden. Sind sie angespannt oder entspannt, kühl oder warm? Spüre den Raum in den Händen. Spüre, dass du der innere Raum deiner Hände bist.
 
 
 
Gerald Blomeyer, Berlin am 14. Februar 2024
 
 

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