Wenn wir uns wirklich mit den Gründen beschäftigen, warum wir etwas nicht loslassen können, gibt es nur zwei: eine Bindung an die Vergangenheit oder eine Angst vor der Zukunft.“
 Marie Kondo, Die lebensverändernde Magie des Aufräumens

Den Wandel willkommen heißen

Die Tage wechseln, die Jahreszeiten, unsere Jobs und Beziehungen. Je mehr wir uns an sie binden, umso wichtiger werden sie uns. Warum sollen wir angenehme Erfahrungen, die uns Freude bereiten oder bereitet haben, aufgeben? Die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo empfiehlt die Dinge, die uns glücklich machen, zu behalten und alles andere mit Dankbarkeit auszusortieren. Wie beim Aufräumen eines Schranks finden wir im Alltag Dinge, die wir nicht brauchen. Das ist eine gute Gelegenheit, etwas abzugeben. Selbst Fotos auf dem Handy zu löschen, verringert das Anhaften. Doch es fällt uns schwer, in eine neue Lebensphase überzugehen, solange wir noch an der alten hängen. Womit identifizieren wir uns so, dass wir bereit sind, deswegen Schmerzen zu erleben? Wir fürchten den Tod, obwohl wir wissen, dass wir sterben werden. Wir können diese Angst nur überwinden, indem wir ihn akzeptieren. Doch unser Verlangen zu leben, ist mehr als nur instinktiv. Wir sind besessen davon, zu existieren, wollen uns sicher und geliebt fühlen. Dieses Festhalten bezahlen wir mit Angst vor dem Verlust.

 

Üben mit leeren Händen weiterzugehen

Der Volksmund kommentiert: „Wer mit beiden Händen festhält, kann keine Geschenke empfangen.“ Unser Leiden entsteht, weil wir an angenehmen Dingen festhalten. Dass aber alles fließt, verstört uns, weil wir daran gewöhnt sind, anzuhaften. Der Zeitpunkt unseres Todes mag weit entfernt sein, aber loslassen, können wir schon jetzt üben. Alles ist unbeständig, wandelt sich kontinuierlich. Ein Atemzug oder ein Schritt besteht aus vielen kleinen Elementen. Eins geht in das andere über, Übergänge, die wir nicht festhalten können. Sie laden uns ein, nicht anzuhaften, sondern offen und weit zu sein. Damit bereiten wir uns auch auf den großen Übergang zum Zeitpunkt des Todes vor, bei dem wir nichts mitnehmen können. Alles, was wir erkennen, wandelt sich. Nur das, was den Wandel erkennt, ändert sich nie. Wir fragen uns: Wie bewusst haben wir den Raum, in dem wir jetzt sind, betreten? Welche Geschichten, Pläne, Gespräche oder Unbehagen haben wir mitgebracht? Achtsam und klar zu sein, hilft uns zu erkennen, wo wir feststecken. Dann können wir üben, unsere gewohnten Muster aufzugeben.

 

Jeder bewusste Übergang ist interessant

Das Jahresende ist traditionell die Zeit, das alte Jahr zu überdenken. Das neue Jahr beginnen wir dann gern mit guten Vorsätzen. Wir nehmen uns vor, einen neuen Weg zu finden und das Beste aus jedem Augenblick zu machen. In Zeiten des Übergangs fürchten wir, ausgeliefert zu sein, oder keine Wahl zu haben. Buddha empfahl zu erkennen, dass alles kommt, alles geht und nichts sich festhalten lässt. Aus diesem Grund meditieren wir. Wenn unser Geist und unser Körper völlig ruhig sind, spüren wir, dass wir irgendwo in uns selbst auf dem Boden stehen, wo es kein Verlangen und keine Angst mehr gibt. Im natürlichen Zustand des Seins können wir genießen, dass alles ein lebendiger Prozess ist, auch wir selber. Wenn wir uns Zeit nehmen, still und weit zu werden, fällt es uns einfacher, nichts zu tun, zu sagen oder zu denken. Wir fühlen uns frei. Jeder Ort, jede Veränderung bietet uns eine Gelegenheit zu üben. Das macht unser Leben einfacher und produktiver. So wie wir den Tag beginnen oder von einem Raum in den nächsten gehen, können wir mit Vertrauen dem Wandel begegnen. Das unterstützt uns beim größten Übergang, im Augenblick des Todes. Am Montag werden wir die Meditation von Steven Levine üben Atmen, um neu geboren zu werden. (Spotify)

 

Gerald Blomeyer, Berlin im November 2022

 

Image by Gerd Altmann from Pixabay

 

Pin It on Pinterest

Share This