„Liebe keine halben Liebhaber
Unterhalte keine halben Freunde …
Die Hälfte ist nur ein Moment der Unfähigkeit
Aber du bist fähig, denn du bist kein halbes Wesen
Du bist ein Ganzes, … kein halbes Leben.“
~ Khalil Gibran
Die Karten auf den Tisch legen
„Deine Stimme klingt formell, als ob sie einen Anzug trägt“, sagte die amerikanische Sängerin Jocelyn B. Smith zu mir vor ein paar Jahren. „Das macht sie vertrauenswürdig. Sie wird vor allem Frauen um die 30 gefallen. Stell dir vor, du hast ein altes T-Shirt mit einem Loch an. In der 2. Reihe sitzen zwei Jugendliche. Deren Aufmerksamkeit zu halten, braucht Emotionen in deiner Stimme.“ Indem wir eine Rolle spielen, wollen wir uns schützen, sicher fühlen, und uns auch höflich an soziale Normen anpassen. Wir verstecken unsere Trauer oder Wut mit einem Lächeln, verdecken unsere Sorgen, Ängste und Schmerzen, sagen ja, wenn wir nein meinen. Manche Masken tragen wir, um im Leben zurechtzukommen, und bei anderen haben wir Angst, sie abzulegen. Es kann gesund sein, unser wahres Ich zu verbergen. Wird aber die Rolle zum ständigen Bestandteil der Arbeit oder des Lebens, stimmt etwas nicht. Wenn wir glauben, nicht genug zu sein, Angst haben, verletzt oder beschämt zu werden, fällt es uns schwer, zu unseren Gefühlen zu stehen. Wir unterdrücken sie und glauben, dass eine Maske uns schützen kann. Doch wer bekommt dann die Zuwendung und Wertschätzung, die wir uns wünschen, wir oder die Rolle, die wir spielen?
Selbstliebe erlaubt uns, unsere Maske abzulegen
Die Maskenfreiheit, die wir punktuell beim Karneval erleben, schützt uns, vor dem Urteil anderer. Doch wenn wir ständig maskiert sind, muss sich etwas ändern. Unsere wichtigsten Beziehungen, in die wir viel Zeit und Energie investieren, setzen voraus, dass wir, wir selbst sein können. Selbstakzeptanz kann Ängste abbauen, aber es erfordert ehrlich zu sein und bewusst zu handeln. Unsere metaphorische Maske darf uns von uns selbst und der Liebe anderer, die wir brauchen, nicht abschneiden. Ohne zu unseren Gefühlen zu stehen, können wir unsere Beziehungen nicht genießen. Wir müssen bereit sein, verletzlich zu sein, anstatt die Gefühle mit einer Maske zu verdecken. Es braucht Selbstbewusstsein und Mut, um im Job oder in Beziehungen zu uns zu stehen. Um die Maske ablegen zu können, müssen wir lernen, unseren internen Konflikten positiv zu begegnen. Wir müssen uns selbst kennen und akzeptieren lernen, um das zu erreichen, was wir wollen.
Selbstfürsorge ist eine Mischung aus Klarheit und Selbstvertrauen
Für uns selbst zu sorgen, bedeutet uns selbst wertzuschätzen und uns zu vertrauen. Unser innerer Kritiker begreift alles als Bedrohung, fordert uns auf, mehr zu tun, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Denn wir glauben meist, dass wir von Natur aus mangelhaft sind. Da hilft es, unsere Perspektive auf den inneren Kritiker zu ändern. Wenn die innere Stimme sagt: „Du bist so ein Versager“, können wir Beispiele für unseren Erfolg anführen. Wenn wir offen für schmerzhafte Gedanken und Gefühle sind, sind Veränderungen möglich. Eine magische Pille, die unsere Schmerzen auslöscht, würde auch unsere Einsichten entfernen. „Wenn wir hören, dass der innere Kritiker hart ist, können wir ihn wahrnehmen, ihn anerkennen, ihm dafür danken, dass er versucht, uns zu helfen, uns daran erinnern, dass wir so etwas nie zu jemandem sagen würden, der uns wichtig ist. Dann können wir sehen, ob wir ein bisschen freundlicher zu uns selbst sein können“, schreibt Ruth Baer, eine emeritierte Professorin für Psychologie an der Universität von Kentucky. Die eigene Resilienz zu stärken bedeutet, ein Gefühl für unsere Wünsche und Bedürfnisse zu entwickeln.
Was hält mich davon ab, so zu sein, wie ich bin?
Wenn wir uns selbst akzeptieren, können wir uns unabhängig von unseren Fehlern so lieben, wie wir sind. Dann können wir aus uns heraus zufrieden und erfüllt sein. Je mehr wir wissen, wer wir sind, desto mehr können wir unsere Gefühle spüren, anstatt sie zu verdrängen. Wer sich selbst wertschätzt, braucht keine Maske, um sich zu verstecken. Eine Maske ist nur dann wichtig, wenn wir unsere Stärken und Schwächen, Qualitäten und Fehler nicht akzeptieren. Wir können uns nur auf andere einlassen und wirklich lieben, wenn wir unseren Wert kennen und keine Angst haben, verlassen zu werden oder einsam zu sein. Indem wir uns selbst mit Offenheit betrachten und akzeptieren, wer wir sind, können wir erleben, was wir einander bedeuten. Am Montag, werden wir die Meditation „Zähme den Inneren Kritiker“ (Link für iPhone-Nutzer) üben.
Gerald Blomeyer, Berlin, 27. September 2022
Siehe auch den Blogbeitrag Authetisch handeln ist dynamisch.
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