„Alles liegt in der absoluten Unruhe des Werdens.“ – Jean-Luc Nancy
„Ohne Tradition ist die Kunst eine Schafherde ohne Hirten. Ohne Innovation ist sie ein Leichnam.“ – Winston Churchill
Authentisch zu sein bedeutet, verlässlich zu sein. Wir bleiben dem eigenen Charakter treu, ohne dem äußeren Anpassungsdruck nachzugeben. Im Geflecht des Miteinanders stehen wir zu unserer Wahrheit. Da das Leben niemals störungsfrei verläuft, müssen wir uns innerlich sicher fühlen, um mit Konflikten umzugehen. Obwohl wir kein festes inneres Selbst haben, werden wir von einer komplexen inneren Landschaft von Kräften, Bedürfnissen und Wünschen beeinflusst. Sie haben sowohl persönliche als auch kollektive Anteile. Gut zu leben erfordert, dass wir uns mit ihnen auseinandersetzen.
Authentisch bedeutet echt, verlässlich, transparent, ehrlich, klar und real zu sein. Das ist das Gegenteil von unehrlich, täuschen, falsch und widersprüchlich sein. Zwar sind positive Eigenschaften die Grundlage für gesunde Beziehungen, doch sie lassen sich nicht für immer festschreiben. Wer authentisch denkt, handelt nicht immer gleich. Wir setzen uns mit einer Situation, die zu einem Zeitpunkt und an einem Ort entsteht, immer wieder neu auseinander. Authentisch ist das, was uns wichtig ist, wie wir jetzt handeln oder uns von kulturellen Kräften formen lassen wollen. Frei zu sein bedeutet, dieses zu erkennen und unseren eigenen Weg zu gehen.
Sei authentisch und verändere dich!
Der buddhistische Lehrer Chogyam Trungpa siedelte Authentisch-Sein im Spannungsfeld zwischen Entsagung und Teilhabe an der Welt an. Wer authentisch handelt, sagt er, lehnt es ab, feige zu sein oder sich anzupassen. Eine authentische Präsenz habe sowohl einen ruhigen Geist, als auch die Intention, die auf die Welt einzuwirken. So können wir, die Wellen des Chaos mit einem wahrhaftigen und transparenten Geist reiten.
Authentisch zu sein und zu erkennen bedingen einander. Wer nur reagiert, kann nicht authentisch sein. Wer authentisch ist, übernimmt die Verantwortung, für das, was in uns vorgeht. Wir vertrauen uns selbst, und sehen in jeder neuen Situation, wie wir uns weiterentwickeln. Dabei sind wir mutig und verletzlich, denn wir legen offen, was wir sind. Wer zu seinen Stärken und Schwächen steht, verbindet sich mit sich selbst und der Gemeinschaft.
Wie beginnen wir damit? Indem wir unsere Gewohnheiten und Ängste erkennen und jene beenden, die uns daran hindern, ehrlich zu sein. Wir lassen sie los, identifizieren uns nicht länger mit ihnen. Starre Gewohnheiten oder sich an andere anzupassen sind selten erfolgreiche Strategien. Wer anderen die Schuld für seine Schwierigkeiten gibt und sich als Opfer fühlt, versteht nicht, dass es die eigene Sicht ist, die seine Qualität des Lebens bestimmt. Zwei Fragen können dabei helfen, unsere Werte und Ziele besser auszudrücken: „Ist das, was ich tue und sage, mit meiner Motivation vereinbar?“ „Fühle ich das wirklich von Herzen?“
Vertrauen braucht Authentizität
Indem wir handeln, entwickeln wir unsere Identität weiter. Ständig ändert sich unser Selbstverständnis in der Arbeit und den Beziehungen. Deshalb hilft uns ein klares Selbstbild, unsere Ziele zu erreichen. Ein starres wird hingegen zu einem Anker, der uns davon abhält, weiter zu segeln. Wer sich an die Anforderungen einer Situation schnell anpasst, ist nicht bereit, verletzlich zu sein. Das wirkt unaufrichtig, opportunistisch. Doch wer sein Herz auf der Zunge trägt, pflegt nicht immer die richtige Distanz, um das Vertrauen der anderen zu gewinnen. Es geht darum, ein Gleichgewicht zu finden, um uns selbst treu zu bleiben.
„Tradition schafft unsere Sicherheit,“ sagte der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti, „doch wenn der Geist sicher ist, ist er im Verfall begriffen.“ Sich selbst treu zu sein, heißt demnach vor allem, komplex und dynamisch zu sein. Am Montag werden wir unsere Gewohnheiten neu einschätzen, indem wir die Meditation Klarheit durch loslassen üben.
Gerald Blomeyer, Berlin, 15. Oktober 2021
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