„Intim zu sein bedeutet, die Stille zu spüren, den Raum, in dem sich alles abspielt.“ – Adyashanti
„Lass deine Eingangstür und den Hinterausgang offen. Lass deine Gedanken kommen und gehen. Serviere ihnen einfach keinen Tee.“ – Suzuki Roshi
„Nimm jeden Gedanken als einen Botschafter wahr, der dir wertvolle Informationen darüber liefert, wie du jeweils am besten reagierst.“ – Dr. Richard Miller



„Intim zu sein, ist das Gegenteil vom Loslassen“, schreibt die amerikanische Buddhistin Dr. Willa Blythe Baker. Um einen großen Baum von einer invasiven Ranke zu befreien, sollten wir beide sehr genau kennen. Wer nicht auf beide achtet, fällt manchmal den Baum. In der Meditation ist das genauso. Wer meditiert, um sich leicht und ausgeglichen zu fühlen, will seine Unruhe hinter sich lassen. Das ist verständlich, wenn wir aufgefordert werden, unseren Geist immer wieder auf den Atem oder einen anderen nicht-begrifflichen Fokus zu richten. Bei der Entwicklung der Konzentration, dem gerichteten Fokus, gilt abschweifen als „Ablenkung“. Das ist eine wertvolle Eigenschaft. Doch wo soll die Unruhe hin? Sie will gesehen und gehört werden.

Meditation bedeutet offen zu sein und mit allem, was auftaucht, intim zu werden. Wir sind uns dessen, was erscheint, bewusst. Wir halten inne und erkennen die Erscheinungen mit Gleichmut und Neugier. Um ein guter Gastgeber für alles zu werden, was auftaucht, heißen wir alles willkommen. Wenn wir es nicht „anfassen“ oder bewerten, vergeht es von allein. Alles, was wir mit einem offenen Fokus sehen, darf so sein, wie es ist. Diese Intimität ist zärtlich und liebevoll, aber nicht nachgiebig.

Wie C.G. Jung sagt, können wir nur das transformieren, was wir willkommen heißen. Wer in der Meditation offen, neugierig und mitfühlend ist, nimmt liebevoll die eigenen Geisteszustände wahr. Diese Haltung können wir auf andere übertragen. Um uns mit den Erscheinungen anzufreunden, dürfen wir sie nicht ablehnen. Wer sich von Gedanken bedroht oder verführt fühlt, bewertet sie und hält so an ihnen fest. Doch können wir wirklich alle unsere Gedanken, unseren Ärger, unsere Angst willkommen heißen? Wer frei sein will, sollte auf jeden Fall einen solchen intimen Weg begehen.

Unser Geist ist kreativ

Wenn wir innehalten, können wir wunderbare, spontane Erscheinungen beobachten, die aus dem Nichts zu kommen scheinen. Ständig und ohne Mühe entfalten sich Gedanken, Gefühle und Erfahrungen. Die Tibeter unterscheiden zwischen der natürlichen Energie, die dem Bewusstsein innewohnt und den Erscheinungen. Wenn wir an Dingen festhalten, scheint es, als kämen sie von außen. Das, was wir denken, fühlen und wahrnehmen, scheint von innen aufzusteigen. Alles, was uns erscheint, halten wir, wegen ihres Inhalts, für wichtig. Wir fühlen uns zu ihnen hingezogen oder fürchten uns. Das lenkt uns davon ab, zu erkennen, dass sie alle im Licht unseres Bewusstseins erscheinen. Was früher ein Auslöser unseres Anhaftens war, kann dann zum Freund werden und sogar zu unserer Befreiung beitragen.

Das Hier und Jetzt

Mit Meinungen und Ansichten halten wir an Dingen fest. Wir erkennen nicht, wie sie sind, sondern wie sie sein sollten und wie wir uns zu ihnen verhalten wollen. Genauso stellen wir uns selber als ein festes „Ich“ vor. Wir hängen an und identifizieren uns mit den Dingen, die uns erfreuen. Sie scheinen dann ein Teil von uns selber zu werden (mein Hemd, Auto, Haus). Wir projizieren unsere Meinung auf die Welt, und sehen sie verzerrt. Die Art, wie wir uns mit Äußerlichkeiten beschäftigen, verhindert, dass wir uns auf etwas einlassen.

Deshalb ist es in der Meditation wichtig, alles so sein zu lassen, wie es ist. Wir können erst mit etwas intim sein, wenn wir kein Konzept haben. Die Meditation am Montag bietet uns Gelegenheit neben der Konzentration und Entspannung auch mit uns intim zu werden. Zur Vorbereitung empfehle ich die Meditation Atmen, um neu geboren zu werden, oder auf Insight Timer.

Gerald Blomeyer, Berlin, 22. September 2021

Photo (c) Heinz Anton Meier von Pixabay

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