Eva Etta und Gerald 1992

Die Blume geht nicht in einem munteren Schub von Knospe zur Blüte über, und dennoch sind wir als Kultur nicht am langwierigen Prozess der Entfaltung interessiert. Aber genau dort entfaltet sich die wahre Magie – im Formen des Charakters und Schicksals einer Person.“ – Maria Popova

Das Leben ist das, was uns passiert, während wir andere Pläne machen.“ – Alan Saunders 1957 (benutzt von John Lennon)

Der Alltag ist der beständige Prozess, in dem die Magie geschieht.

Erwachsen zu werden, bedeutet unseren Charakter tiefgreifend zu verändern. Auf unserem Weg durch das Leben begegnen wir einer Vielzahl von Erfahrungen, Herausforderungen und Möglichkeiten, die unseren Charakter auf bedeutungsvolle Weise formen und prägen. Beim Übergang von der Kindheit tragen positive und negative Lebenserfahrungen zu unserem Wachstum und unserer Veränderung bei. Wir lernen aus Erfolgen und Rückschlägen, Freuden und Sorgen, die unser Verständnis von uns selbst und anderen vertiefen. Bei dieser Metamorphose bemühen wir uns, Tugenden zu kultivieren, die mit unseren Idealen und Bestrebungen übereinstimmen. Jeder, der Großartiges schafft oder einen Sieg erringt, weiß, dass dies im Vorfeld Mühe und Engagement erfordert. Die Knospe wird zur Blüte und diese wiederum zur Frucht. Der ständige Fluss der Lebenskraft bereitet laufend den nächsten Schritt der Metamorphose vor, die niemals endet. Da wir Prozesse nicht benennen können, fokussieren wir uns auf die Objekte, benennen und bewerten sie: Ein Sieg ist gut, ein Verlust schlecht.

Ein dramatischer Anfang und das dramatische Ende

Mein größtes Glück war es, mich in Eva Etta zu verlieben. Ihr Tod müsste eigentlich mein größtes Unglück sein, doch die Wirklichkeit ist komplexer. Durch das Verlieben, Sterben – und die 13 Jahre dazwischen – öffnete sich mein Herz der Freude und dem Schmerz. Als wir uns zum ersten Mal 1992 auf einer Reikimeistertagung die Hände hielten, verband sich unser Bewusstsein und schoss tief ins Weltall, jenseits aller Worte und Konzepte. Das brachte eine Achterbahn der Gefühle mit sich, auch die Angst, nicht zu wissen, was vor uns liegt. Diese Ungewissheit war beängstigend. Danach gab es viel Praktisches zu regeln. Nach acht Monaten hatten wir uns beide aufeinander eingeschwungen. Wir haben gegenseitig unsere Herzen aufgeschlossen. Doch es ist unmöglich, den Schlüssel zu behalten. 13 Jahre später waren unsere Herzen auch mitten im Sterben auf neue Weise weit offen. Ihre Angst war greifbar. Wir haben sowohl die Vollkommenheit als auch den Schmerz des Leidens mit offenen Herzen umarmt. Meine Aufgabe war es, sie zu begleiten, was ihr erlaubte, diese Ängste anzunehmen. Es wäre falsch, dieses Leiden als nur schrecklich abzutun. Wir sind beide daran gewachsen und haben auch in diesen Augenblicken die Schönheit und Komplexität des Lebens noch intimer erlebt. Eva Ettas Tod, war ein dramatischer Schnitt und schmerzhaft. Um herauszufinden, wer ich war, bin ich für acht Jahre nach Indien und Nepal gereist. Nun bin ich seit 10 Jahren wieder in Berlin und biete an, das zu teilen, was ich im Verlauf der 77 Jahre meines Lebens gelernt habe.

Präsenz ist entscheidend

Verstehen wir unser Leben als bloße Abfolge von zu erledigenden Dingen, sind wir abwesend von unserem eigenen Leben. Wir verwechseln das Tun mit dem Sein. Doch unser Leben ist so viel mehr als eine Liste von Aufgaben. Es ist eine Reise voller erster Male, die uns immer wieder anregen, die Welt anders und neu zu sehen. Die Herausforderung besteht darin, nicht nur zu handeln, sondern auch zu sein – im wahren Sinne des Wortes.

Die Augenblicke des Glücks und der Freude, die wir erleben und schaffen, um uns selbst zu nähren, sind Schätze, die wir mit anderen teilen können. Indem wir uns selbst annehmen, lieben und heilen, öffnen wir uns für eine tiefere Verbindung mit der Welt um uns herum.

Um mit Präsenz ins Leben einzutauchen, ist es entscheidend, dass wir mit unserem Bauchgefühl in Kontakt bleiben, uns ständig feinabstimmen und immer wieder neu auswählen. Es geht darum, bewusst zu sein und bewusst zu handeln, um jeden Moment vollständig zu leben und zu genießen. Mit dem Tod ist jeder von uns früher oder später konfrontiert.

Nachspüren

Warum bin ich wichtig? Wie ist mein Verhältnis zum Leben und zum Tod? Wenn mein heutiger Tag so wäre wie der Rest meines Lebens, würde ich glücklich, erfüllt und stolz sein? Wenn ich am Ende zurückblicke, hätte ich dann ein gutes und sinnvolles Leben gelebt?

 

Gerald Blomeyer, Berlin, Pfingsten 2024

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