Alles verändert sich.“ – Suzuki Roshi, als er gebeten wurde, die Lehren Buddhas in einem Satz zusammenzufassen

Im Grunde gibt es Materie gar nicht. Jedenfalls nicht im geläufigen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, ständigen Wandel, Lebendigkeit.“ — Hans-Peter Dürr, deutscher Physiker 1929–2014

 

Der stabile Berg

Vor zwölf Jahren unterrichtete ich Meditation im Buddhistischen Zentrum in Pokhara, Nepal. Die Stadt liegt am Fuß eines der höchsten Berge der Welt, des Annapurna. Im Zentrum habe ich mit meinen Schüler*innen gern eine Atem-Meditation von Thich Nhat Hanh geübt, die den Körper erdet und den Geist stabilisiert. Wenn wir uns aufgeregt und verletzlich fühlen, stellen wir uns vor, so fest wie ein Berg zu werden. Beim Einatmen sehen wir uns als Berg, beim Ausatmen fühlen wir uns ruhig. Diese Übung hilft, wenn wir von starken Gefühlen wie Wut, Verzweiflung oder Angst überwältigt werden. Lassen wir uns davon bezwingen, fühlen wir uns verletzlich und instabil. Wir lenken deshalb unsere Aufmerksamkeit auf den Bauch, ein wenig unterhalb des Nabels, und achten beim Atmen auf die Bewegung des Bauches. Nach einigen Atemzügen kommen wir vom Kopf in den Körper, das negative Gefühl stört uns nicht mehr. Wir fühlen uns ruhig, stabil und geerdet. Unser Atem hilft, den Geist zu stabilisieren.

Alles vergeht

Eines Mittags 2012 lud mich Direktor Sönam zu einer Radtour in die Himalaya-Berge ein. An einem sonnigen Tag kamen wir staubig und verschwitzt bei den heißen Quellen am Seti River an. Das Eintauchen in die warmen Becken und den kalten Fluss war eine Wohltat. Das anschließende Essen im kleinen Dorf war köstlich, wir fühlten uns wie im Paradies. Ein paar Tage später löste der Monsun-Regen einen verheerenden Bergrutsch aus. Die Geröllmassen begruben die heißen Quellen, zerstörten das Dorf und verwischten jede Spur von diesem idyllischen Ort. Es war eine Katastrophe, die uns drastisch vor Augen geführt hat, dass es keine Gewissheit im Leben gibt. Wir wünschen uns zwar immer anhaltende Sicherheit und Glückseligkeit. Doch die gibt es nicht. Wir müssen offen annehmen, was gerade geschieht. Die Flucht vor Unbehagen macht uns unglücklich und schwach.

Akzeptiere, was du nicht ändern kannst

Offenheit ermöglicht uns, das anzunehmen, was geschieht, und unserer angeborenen Weisheit zu vertrauen. Dann können wir der Schöpfung erlauben, sich zu entfalten und uns zu bewegen. Vertrauen ist nicht immer einfach. Jede Transformation ist herausfordernd, weil wir unsere Komfortzone verlassen müssen. Wenn wir das erkennen, können wir innere Stärke entwickeln. Sie steht uns genau dann zur Verfügung, wenn wir glauben, am Boden zu sein. Die amerikanische buddhistische Nonne Pema Chödrön empfiehlt uns, keinen Schutzschild um uns herum zu errichten, er intensiviert nur unsere Selbstbezogenheit. Wir sollen uns stattdessen fragen: „Kann ich den Kern meines Schmerzes berühren?“ Wenn wir einen Schritt zurückzutreten und diesen Augenblick im Gesamtbild des Lebens betrachten, können wir unsere Gedanken und Gefühle stabilisieren. Wir lernen nicht wegzulaufen, wenn sich das Leben plötzlich ändert. Das hilft, den Überblick zu bewahren und gelassen im „Hier und Jetzt“ zu leben.
Am Montag werden wir auf Zoom „Tun und Sein im Gleichgewicht“ üben.

Nachspüren

Suche eine stabile Position. Achte darauf, wie der Bauch sich beim Atmen bewegt. „Einatmend, ich sehe mich als einen Berg. Ausatmend, ich fühle mich stabil.“ Du musst nicht alle Wörter verwenden, behalte einfach das Wort „Berg“ für die Einatmung und „stabil“ für die Ausatmung bei. Berg, stabil.

 

Gerald Blomeyer, Berlin am 16. April 2024

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