Vergebe anderen, nicht weil sie Vergebung verdienen, sondern weil du Frieden verdienst.“ – Jonathan Lockwood Huie

Mitgefühl: Grundlage des Weltfriedens

Als 15-Jähriger fühlte ich mich von meinen Eltern nicht gesehen. Ich war frustriert. Wir wohnten damals in Wellington, Neuseeland, und die einfachste Lösung schien mir, die Eltern zu verlassen und allein nach Deutschland zurückzukehren. In Bonn hatten wir zuvor gelebt, dort fühlte ich mich wohl. Im Laufe der Jahre habe ich verstanden, dass die Enttäuschungen aus dieser Zeit mich blockierten. Es hat Jahrzehnte gedauert, aber ich habe irgendwann gelernt, meine Eltern so anzunehmen, wie sie waren. Je mehr ich über ihre Herausforderungen und Ängste nachdachte, desto mehr Mitgefühl empfand ich für sie. Die Geschichten von damals verloren ihr Drama und lösten sich auf. Im Buddhismus werden die meisten unserer Probleme auf zwei grundsätzliche menschliche Eigenschaften zurückgeführt: Unsere leidenschaftliche Gier nach etwas oder auf unsere heftige Abneigung gegen irgendetwas. Hass, Gier und Unwissenheit stehen hinter fast jedem Problem in der Welt. Der tibetische Friedensnobelpreisträger Dalai Lama empfiehlt, mit Mitgefühl bei sich selbst zu beginnen und es auf alle fühlenden Wesen auszudehnen: „Liebe und Mitgefühl sind das moralische Fundament des Weltfriedens.“ Wir sind gefordert, auch diejenigen, die uns Schaden zugefügt haben, also unsere Feinde, wertzuschätzen.
 

Abhängigkeit von anderen

Am Anfang und am Ende unseres Lebens sind wir von der Fürsorge anderer abhängig. Wenn ich nur noch eine Stunde zu leben hätte, würde ich mich über niemanden beschweren. Warum sollten wir nicht auch in der Mitte des Lebens anderen freundlich begegnen? Schließlich wollen alle glücklich sein, keiner will leiden. Wenn wir uns als Teil des Ganzen sehen, lohnt es sich, anderen mit Liebe und Respekt zu begegnen. Unser aller Leben wandelt sich ständig. Wenn wir Problemen mit einem ruhigen und klaren Geist begegnen, können wir sie erfolgreich lösen. Anderen zu vergeben bedeutet, Frieden in uns zu finden, egal welches Drama uns vor fünf Minuten oder fünf Jahren passiert ist. Wir erkennen, dass nur wir für den fehlenden Frieden verantwortlich waren und nur wir die Situation ändern können. Shit happens. Wenn wir es nicht so haben wollen, leben wir in einem Konflikt, der uns emotional, physisch und psychisch leiden lässt. Vergebung löst unseren Widerspruch auf und schafft Frieden, auch wenn wir nicht das bekommen, was wir wollen. Vielleicht schaffen wir es, unsere Feinde zu lieben, oder entwickeln Mitgefühl für den Partner, auch wenn wir nicht mit ihm einverstanden sind.

Vergeben und vergessen

Zu vergeben beruhigt unseren Geist, es hilft uns, bewusst zu vergessen, was uns gestört hat. Entscheiden wir uns dafür, anderen zu vergeben, können wir es nur geschehen lassen, denn Versöhnung braucht Zeit. Der Satz „Ich vergebe dir“ stoppt unser reaktives Verhalten und öffnet uns dafür, alte Gefühle loszulassen. Wir erkennen den Schaden und fühlen uns verantwortlich: Wäre ich nicht dagewesen, wäre das Ereignis nicht passiert. Wenn wir Verantwortung übernehmen, die Tat bedauern und uns entschuldigen, können wir die Dinge in eine konstruktive Richtung lenken. 
 
Am Montag üben wir die Meditation „Klarheit durch Loslassen“.

Nachspüren

Werde dir deines Atems bewusst. Welche Gefühle spürst du, weil du dir oder anderen etwas nicht vergeben hast? Fühle den Schmerz und die Enge, die dein Herz verschlossen halten. Erlaube dir, dich an Situationen zu erinnern, in denen du aus Angst und Verwirrung dich und andere verletzt hast. Wenn du bereit bist, erkenne, dass du in der Lage bist, diese Last loszulassen, und bitte um Vergebung. Erlaube dir, mit einem von dieser Last befreiten Herzen weiterzumachen. Entspanne deinen Geist in das große Herz der Vergebung.
 
 
Gerald Blomeyer, Berlin am 19. März 2024
 
 
 
Foto: Schlosspark Charlottenburg 2024 (c) Christer Söderberg

Pin It on Pinterest

Share This