Das einzige Zen, das man auf den Gipfeln der Berge finden kann, ist das Zen, das man dort hinaufbringt.“ – Robert M. Pirsig

 Traue niemanden über 30.“ – Jack Weinberg, amerikanischer politischer Aktivist, 1964

 

Unsere Gedanken erschaffen die Realität ständig neu

Als Studenten haben wir keinem über 30 getraut. Später, als PR-Berater, glaubte ich, dass mein Erfolg darauf beruhe, die Lage gut einzuschätzen. Doch mit dem Tod meiner Frau und auf einer acht Jahre dauernden Reise durch Indien und Nepal, lernte ich, dass nichts so funktioniert, wie ich dachte. Ich lernte flexibler und offener zu werden, als ich begriff, dass ich in einem inneren Kosmos lebe, einer subjektiven Welt, die ich immer wieder neu aus Geschichten zusammensetze. Um die Wirklichkeit besser erkennen zu können, war ich neugierig und offen dafür, Neues zu erforschen. Dafür war es wichtig, meine Überzeugungen zu hinterfragen, mich für eine andere Sicht zu öffnen, um weiter zu wachsen. Tiefe Einsichten entstehen, wenn wir uns bewusst sind, was im Augenblick geschieht. Dann können wir die sich ständig verändernden Zustände von Geist und Körper erkennen und willkommen heißen. Wir bleiben jung, wenn sich alles entfalten darf und fließt.

 

Hinterfrage deine Meinung

Das Gehirn ist in der Stille und Dunkelheit unseres Schädels gefangen. Es entwickelt ein internes Modell der Welt mit eigenen Wahrheiten, politischen Ansichten und Werten. Der amerikanische Neurowissenschaftler und Bestseller-Autor David Eagleman sagt, dass die Plastizität des Gehirns unser Denken ermöglicht. „Das Gehirn ist ständig dabei, sich neu zu konfigurieren. Es ist ein sehr dynamisches System. Jedes einzelne dieser Neuronen im Kopf sieht wie ein verzweigter Baum aus, der 10.000 Verbindungen zu anderen Neuronen herstellt. Sie sind ständig in Bewegung.“ Wir glauben die Wahrheit klar zu sehen und, verstehen nicht, warum andere das nicht auch tun. Wir glauben, dass es uns und die Welt gibt. Doch der Mensch ist alles, womit er interagiert. Wir sind unsere Umgebung, Erfahrungen, Freunde, Feinde, Kultur, Glaubenssysteme, Zeit. Alles hängt vom anderen ab. Wir können uns vom Kontext, in den wir eingebettet sind, nicht trennen. Es gibt kein „Ich“ ohne Außen. Unsere Überzeugungen, Dogmen und Bestrebungen werden von außen geformt. Eagleman: „Der Reiz des Lebens besteht nicht darin, wer wir sind, sondern wer wir im Begriff sind, zu werden. Die Magie unseres Gehirns liegt in der Art, wie die Teile sich unaufhörlich neu verweben und ein dynamisches, elektrisches, lebendiges Gewebe bilden.“ Was wäre, wenn wir sehen, dass unser Gehirn vollständig von Ruhe umgeben ist?

Der Mittelweg zwischen Beständigkeit und Veränderung

Das weite, stille Bewusstsein existiert immer. Es ist außerhalb der Zeit. Meister Dogen, der im 13. Jahrhundert die japanische Soto-Schule des Zens begründete, erkannte die Lösung im Satz „Lass den Körper und den Geist wegfallen!“ „Sich fallen lassen“ bedeutet, alles gleichzeitig als ewig und vergänglich zu erleben. Wir erkennen, dass wir nichts tun müssen, um die Vollkommenheit des Hier und Jetzt zu erleben. Bewusstsein ist immer da. Die „Erleuchtung“ ist hingegen ein Prozess, ein dynamisches Hin-und-Her-Pendeln zwischen Zeit und Zeitlosigkeit. Von Augenblick zu Augenblick manifestiert sich das Bewusstsein, indem es sich ausdehnt und zusammenzieht. Immer neu eröffnet sich ein neues, atemberaubendes Panorama, aber kein Panorama ist vollständig. Unsere Reise geht immer weiter. Wir kommen nie endgültig an. Der Ruhepunkt der sich drehenden Welt ist ein Ort, wo es nach dem englischen Dichter T.S. Eliot „weder Stillstand noch Bewegung gibt, wo Vergangenheit und Zukunft versammelt sind.“ Er ist weder zielgerichtet, noch bewegt er sich weder von etwas weg. Es ist ein Ort der Stille und des Friedens, auch wenn sich die Welt weiter verändert. Das ist unsere wahre Heimat, dem wir in jedem Augenblick aufs Neue begegnen.

Empfehlung

Meditation „Neugierig sein“. Wenn wir fragen “Was ist das?”, suchen wir nicht nach einer Antwort. Wir sind offen für das, was passiert, ohne es zu beurteilen.
 
Nachspüren

Wann ärgerst du dich? Wann nicht? Was verstärkt deinen Ärger? Wenig Schlaf? Stress? Welche Veränderung würden dir helfen, nicht mehr so reagieren? Wenn wir verstehen, was uns triggert, können wir einen kreativen Weg finden, um anders damit umzugehen.
 
Gerald Blomeyer, Berlin am 9. Juni 2023
 
 
Photo (c) Sagar Kulkarni auf Unsplash.com

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