Die Freude ist im Kummer verborgen und der Kummer in der Freude. Wenn wir um jeden Preis versuchen, Kummer zu vermeiden, werden wir vielleicht nie Freude schmecken, und wenn wir der Ekstase misstrauen, kann uns auch der Kummer nie erreichen. Freude und Leid sind die Eltern unseres geistigen Wachstums.“ – Henri Nouwen (1932-1996), holländischer Philosoph

Unsere Gesellschaft sucht eher die Trennung als die Verbindung, eher die Unabhängigkeit als die gegenseitige Abhängigkeit, betont eher die Individualität als eine gemeinsame Identität.“ — Dr. Dan Siegel, Professor für Psychiatrie an der UCLA in Intraconnected


Freude teilen

Etwas zu erreichen, was uns wichtig ist, fühlt sich gut an. Wir sind glücklich, wenn wir das machen und Zeit mit Menschen verbringen, die uns wichtig sind. Wir können dafür sorgen, dass wir in Verbindung bleiben, indem wir fragen: Wen habe ich in letzter Zeit nicht gesehen? Mit wem möchte ich Kontakt aufnehmen? Möchte ich einem Freund die Hand reichen und sagen: „Lass uns einen Kaffee trinken.“ Uns aktiv um unsere Beziehungen kümmern, geschieht in kleinen Aktionen. Gestern in der Bahn bot mir eine Dame gesalzene Mandeln an. Das Teilen veränderte unsere Vorstellung von einander. Wir kamen ins Gespräch. Sie erzählte von ihrer Reise, vom verstorbenen Mann, den Kindern. Beim Meditieren, erkennen wir, dass es auf der tiefsten Ebene keine Trennung zwischen uns und der Welt, zwischen uns und anderen gibt. Wenn wir sitzen, lernen wir unser Herz und unseren Geist kennen, erkennen die Unordnung und das Leiden in unserem Leben, aber auch die tiefe Freude. Dann entwickeln wir Mitgefühl für uns und andere. Unser Leiden und unsere Freuden sind ähnlich. Wir erleben eine Verbindung beim Geben und Nehmen oder ändern unsere Vorstellung von einander, etwa wenn wir miteinander tanzen, lachen, sprechen, trauern. Wir sind dankbar, wenn uns bewusst wird, wie viel wir anderen verdanken. Ohne dankbar zu sein für das, was uns geschenkt wird, fühlen wir uns einsam.

Trauer teilen

Dem Tod eines Menschen beizuwohnen, berührt uns. Das Trauern mit anderen verbindet. Trauern ist lieben ohne einen festen Platz. Der Mensch ist fort, die Situation und auch die Hoffnung, dass sich die Dinge auf eine bestimmte Weise entwickeln werden, sind vorbei. Einst hat die Liebe uns verbunden. Ohne Liebe, wären wir über den Verlust nicht so verzweifelt. Wir können versuchen, das Gefühl der Trauer zu vermeiden, doch wenn wir unseren Kummer annehmen, können wir auch das Leid anderer verstehen. Indem wir deren Kummer erkennen, neigen wir weniger dazu, von unserem überwältigt zu werden. Indem wir gemeinsam trauern, werden wir mit unserem Kummer vertraut. Wir erleben gemeinsam, wie sich die Dinge dramatisch verändern. Beim Trauern freuen wir uns nicht darüber, dass etwas vorbei ist, sondern verdauen die Veränderung, ohne dass die Verbindung zur Liebe verloren geht. Jammern wir „jetzt ist die Liebe fort,“ sehen wir nur, dass wir nicht mehr gemeinsam spazieren gehen oder uns anrufen können. Doch die Erinnerungen sind in unserem Körper gespeichert.

Ohne den Gegensatz, ist eine Erfahrung bedeutungslos

Wir reagieren mit Freude und Trauer auf die Dinge, die uns wichtig sind. Wir freuen uns über unser Potenzial zu wachsen sowie, dass wir dazugehören können. Wir trauern bei Verletzung, Zerstörung oder Verlust. Wir können uns gleichzeitig freuen und trauern, wenn wir uns selbst dabei treu bleiben. Wir spüren Trauer und Freude mit dem ganzen Körper, und können davon durchgeschüttelt werden. Andere erkennen dies. Wir fühlen mit, wenn andere trauern, oder lassen uns von deren Freude anstecken. Beide können uns zum Weinen bringen, das uns erleichtert und befreit. Wir verbinden uns, wenn wir miteinander lachen. Komiker können uns zum „Tod-Lachen“ bringen. Lachen und trauern machen uns bewusst, dass wir nicht isoliert sind. Wer sich vor Verbundenheit schützt, wird einsam. Auch wenn wir uns kulturell entfremdet fühlen, können wir uns freuen, wenn wir merken, dass wir ähnlich fühlen. Angesichts von Widrigkeiten und Verlusten bleiben wir mit dem verbunden, was uns wirklich wichtig ist. Die Praxis besteht darin, dies zu erkennen und dieses Gefühl zu leben: „So machen wir das.“ Am Montag werden wir die Trauer-Mitgefühl-Meditation üben. (Für iPhone)

Nachspüren
Was ist dir wirklich wichtig?
Welche deiner Ideale und Stärken willst du leben?
Wie vertiefst du deine Beziehungen und leistest deinen Beitrag für dein Wachstum und für das Wachstum anderer?

Alternativ: Lies ein Gedicht. Das schafft eine kontemplative Beziehung. Indem wir in Resonanz mit dem Rhythmus gehen, verlangsamen wir unseren. Wir atmen zusammen.

 

Gerald Blomeyer, Berlin, 21. April 2023 zur Kirschblüte

 

Image by studio4rt on Freepik

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