Der Verstand ist wie die Sittlichkeit, ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.“ – Johann Wolfgang von Goethe

Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken!“ – Heinz Erhardt

Nothing outside yourself can cause any trouble. You yourself make the waves in your mind. If you leave your mind as it is, it will become calm. This mind is called big mind.“  ― Shunryu Suzuki, January 12th, 1967

Unsere Gedanken fordern uns heraus
Wenn wir meditieren, erwarten wir, tiefe geistige Stille und innere Ruhe zu erleben. Doch tatsächlich steigen ständig Gedanken auf. Wir sind besorgt, weil wir glauben, dass wir nicht denken sollten. Machen wir etwas falsch, wenn unsere Gedanken nicht einfach verschwinden? Doch es ist die Natur unseres Geistes, dass er wandert, Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen sind immer präsent. Sie kommen und gehen. Wir können sie willentlich nicht anhalten oder verbannen. Wer mit seinen Gedanken kämpft, kommt nie zur Ruhe. Erst wenn wir das Denken so akzeptieren, wie es ist, können wir es von selbst aufhören lassen. Nur indem wir einen Gedanke willkommen heißen, können wir ihn loslassen.

Meditation ist keine Technik
Doch wir fragen uns ständig, ob es uns gut geht oder nicht. Oder: „Mache ich das richtig?“ Wir suchen Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind, schließlich soll die Zeit und die Mühe, die wir investieren, sich lohnen. Doch damit kommen wir nie zur Ruhe. Wir reagieren ständig auf Gedanken, weil wir uns mit deren Inhalt identifizieren. Indem wir an ihnen festhalten oder sie ablehnen, nehmen sie eine eigenständige Realität an. Dann verbindet sich eine Erinnerung mit einer emotionalen Reaktion. Aus Ärger wird „meine“ Wut. Wir personalisieren die Ereignisse, anstatt sie objektiv zu beobachten. Es besteht eine direkte Beziehung zwischen unserem Denken und wie wir mit dem Körper und Geist darauf reagieren. Wer sich ständig Sorgen macht, verspannt seinen Körper. Das Widerkäuen von Gedanken schafft Chaos in unseren Zellen. Die Muskeln verspannen sich, die Gelenke werden steif, die Organe funktionieren nicht mehr so gut und der Blutdruck steigt oder sinkt. Doch wir lassen uns gern von der Fähigkeit unseres Verstandes blenden, denn wir glauben, dass unsere Gedanken wahr sind. Wenn wir aber die Welt nur durch Konzepte und Überzeugungen wahrnehmen, können wir sie nicht direkt erfahren. Nicht zu denken bedeutet also nur, unsere Gedanken nicht anzufassen, nicht weiter über sie nachzudenken.

Mit Gedanken das Denken anhalten 
Ein weiterer Weg ist das Koan-Studium, das unser Denken einbezieht, anstatt es auszuschließen. Es gilt über ein Paradoxon zu meditieren, um unsere Abhängigkeit von der Vernunft aufzugeben und eine plötzliche intuitive Einsicht zu haben. Wir fordern unser Denken mit einer Frage heraus, auf die man nicht logisch antworten kann, etwa: „Was ist das Geräusch, wenn eine Hand klatscht?“ Ein weiterer Weg ist es, etwas mit unseren Gedanken zu vereinbaren: „Lass mich jetzt in Ruhe. Ich komme später darauf zurück.“ Unsere Gedanken kommen dann nicht dauerhaft sondern vorübergehend zur Ruhe. Wenn ein Gedanke auftaucht, brauchen wir uns für ihn nicht verantwortlich zu fühlen. Gedanken existieren immer ohne einen Besitzer. Indem wir das erkennen, wird es einfacher, die Gedanken einfach vorbeiziehen zu lassen. Wer in der Meditation Frustration erlebt, kann den Frust einfach achtsam beobachten und dabei erleben, wie er sich auflöst. Dann können wir den weiten, erkennenden Raum unseres Bewusstseins erleben.

Kein Leiden ohne Denken
Wir glauben unseren Gedanken. Bei näherer Betrachtung sind sie jedoch nur das Ergebnis unserer Vorstellungen. Mit dieser Einsicht können uns unsere Gedanken nicht länger belästigen. Fühlen wir uns gestresst, besorgt oder deprimiert, können wir das wahrnehmen, ohne es zu bewerten. Wir leiden, weil wir über die Vergangenheit nachdenken. Das verhindert, dass wir die gegenwärtige Realität erkennen. Wir leiden nur, wenn es eine Geschichte gibt. Indem wir das erkennen, können wir unsere Gedanken loslassen und Abstand schaffen zu unseren Gedanken. Dann können sie uns nicht länger stören. In der Meditation geht nicht darum, etwas Außergewöhnliches zu erwarten, sondern darum, die Freiheit des Augenblicks zu genießen.
Am Montag werden wir die Meditation Klarheit durch Loslassen üben.

Gerald Blomeyer, Berlin, 5. Mai 2022

Cartoon von David Sipress: “Ich meditiere über meine Unfähigkeit zu meditieren, denn wenn ich meditiere, kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken, dass ich nicht meditieren kann, weil ich über meine Unfähigkeit zu meditieren nachdenke. Ist das richtig?”

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