„Nichts ist toter als ein erfüllter Wunsch.“ – Prof. Dr. Hugo Schmale, Parship-Gründer

„Glück = Realität minus Erwartungen“ – unbekannt


Die Tyrannei der Erwartungen
Probleme entstehen, wenn die Welt nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmt. Sie sind das Ergebnis eines „wollenden Geistes“. Wir wollen etwas haben oder nicht haben. Wir wollen Angenehmes genießen und Unangenehmes vermeiden. Wir leben in der Illusion von Festigkeit und Kontrolle. Doch die Welt ändert sich ständig und entfaltet sich unabhängig davon, wie wir sie gern hätten. Wenn wir etwas begehren, glauben wir, dass es uns glücklich, zufrieden und erfüllt machen wird. Unsere Gier nach Sinnesfreuden und Anerkennung wurzelt im Gefühl, nicht vollständig zu sein. Das kann in einer Sucht nach Essen, Sex, Alkohol, Drogen, Erfolg, Macht, Ruhm, Reichtum oder Liebe enden. Der amerikanische Meditationslehrer Phillip Moffitt spricht von der „Tyrannei der Erwartungen“. Nur in Augenblicken akuter Enttäuschung werden wir uns bewusst, dass wir von Erwartungen besessen sind. Wir können entdecken, was wir die ganze Zeit erhofft haben. Die Enttäuschung ist ein notwendiger, schmerzhafter Schatz, der uns selbst offenbart.

Unsere Freude an angenehmen Fantasien hält uns gefangen
Wer lernt, sich von den großen Erwartungen zu befreien, kann auch die kleinen Erwartungen erkennen und verhindern, dass sie unseren Alltag diktieren. Vielleicht sind wir vom Glauben daran versklavt, was eine gute Ehe, einen guten Menschen oder Erfolg ausmacht. Wenn wir uns richtig verhalten, erwarten wir, auch so behandelt zu werden. Diese Erwartungen sind uns so vertraut, dass sie meist unsichtbar sind. Sie sind so sehr Teil dessen, wofür wir uns halten, dass wir diese tief konditionierten Muster nicht einmal bemerken. Erst wenn wir achtsam sind, können wir erkennen, wann im täglichen Leben Verlangen auftaucht. Was bereitet uns Freude? Worin sind wir verliebt? Ist es der Kaffee, der Kuss oder die Vorfreude auf das Mittagessen? Eine weitere Erscheinungsform des Verlangens ist der zwanghaft planende Geist. Wir verstricken uns in endlosen Planungen, stellen uns eine zukünftige Situation vor und beschäftigen uns dann mit all den Gedanken und Handlungen, die uns dorthin bringen. Doch alles kann uns nur eine Zeit lang glücklich machen. Denn alles, was wir begehren, ist unbeständig und verändert sich. Glück ist flüchtig.

Im Jetzt leben
Lassen wir unsere Erwartungen los, können wir ein Gefühl der Freude und Leichtigkeit entdecken. Es erfordert Mut, tief in das eigene Herz und den eigenen Verstand zu blicken, um nicht mit den Scheuklappen unser Konditionierung durchs Leben zu gehen. Auch in der Meditationspraxis können wir uns in Erwartungen verfangen, indem wir uns z.B. energetisch in den nächsten Moment hineinlehnen. Wir sind noch bei diesem Atemzug, denken aber schon an den nächsten. Wir denken, dass der nächste Moment irgendwie alles lösen wird. Doch der nächste Moment ist genauso unbeständig wie dieser. Auch er kann keine Lösung für irgendetwas bieten. Erwartungen machen uns unruhig. Unser Geist pendelt zwischen Hoffnung und Angst. Wenn wir etwas erwarten, hoffen wir, dass etwas eintritt, das wir uns wünschen. Gleichzeitig wir fürchten wir, dass es nicht eintritt. Bei Befreiung geht es aber nicht darum, etwas zu erreichen, sondern zu erkennen, was da ist. Es geht um das Seinlassen, darum, immer wieder in die Gegenwart zurückzukehren, und sei es nur für einen Augenblick. Der befreite Geist verlangt nicht nach Sinnesfreuden oder nach dem ständig Neuen. Er ist erwartungslos und offen für die Dinge, die da kommen mögen. Dann können wir die Welt sehen, wie sie ist.
Am Montag werden wir das Innehalten üben.

Gerald Blomeyer, Berlin, April 2022

Foto: MabelAmber https://pixabay.com/photos/dog-animal-pet-man-person-leg-3704580/

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