„I don’t teach my religion to my famous musical friend. We just drink Saki together.“ – Sasaki Roshi, Leonard Cohens Zenlehrer
„There is a crack in everything. That’s how the light gets in.“ ― Leonard Cohen, Selected Poems, 1956-1968
„Wir können nicht erwarten, irgendwo Erleuchtung zu finden, und wir können auch nicht erwarten, sie nicht zu finden. Wenn der Tod um die Ecke kommt, ist das Spiel aus, und das ist es, was uns befähigt, zu sehen, kurz das Licht zu schätzen.“ – Pico Iyer
Der legendäre, kanadische Singer-Songwriter Leonard Cohen (1934 – 2016) hat alle Freuden ausgekostet, die das Leben zu bieten hat. Er hat aber auch Jahrzehnte lang meditiert und davon fünf Jahre lang als Zen-Mönch im Retreat gelebt. Als sein damals 18-jähriger Sohn Adam 1990 in einen schweren Autounfall verwickelt war, verbrachte Cohen vier Monaten an seinem Bett im Krankenhaus. „Er hat die Zähigkeit und den Charakter entwickelt, im Leiden still zu sitzen“, sagte seine damalige Verlobte, die Schauspielerin Rebecca de Mornay, denn „das Weglaufen vor der Wahrheit löst nichts.“ Cohen wird heute als weiser Mann bejubelt, wohl auch weil er sich seiner Torheiten bewusst geworden ist. Er hat dem Selbst, das sich auflöst, eine traurige und dauerhafte Stimme gegeben, auch wenn sein eigenes Ego weiterhin widerspenstig und ungehorsam war.
Der in England geborene und Japan lebende Autor Pico Iyer besuchte den „Held seiner Jugend“ 1994 im Mt. Baldy Zen Center, Kalifornien. Cohen hatte sich für fünfeinhalb Jahre zurückgezogen, um dem sehr alten, japanischen Zen-Lehrer Kyozan Joshu Sasaki (1907–2014) als persönlicher Assistent zu dienen. In seiner Zeit im Zen-Zentrum wurde Cohen zum Mönch des Rinzai-Zen-Buddhismus ordiniert und erhielt den Dharma-Namen „Jikan“, was „die Stille zwischen zwei Gedanken“ bedeutet. In seiner eloquenten Eröffnungsrede 2015 an der Universität von Südkalifornien erinnerte sich Pico Iyer an seine damalige Begegnung mit Cohen: „Eines Abends – es war Ende Dezember, vier Uhr morgens – nahm sich Cohen eine Auszeit von seinen Meditationen, um zu meiner Hütte hinunterzugehen und mir zu erklären, was er hier tat.“ Stillsitzen sei „eine wirklich tiefgründige, üppige und köstliche Unterhaltung.“ Das Einlassen auf die Stille sei ein wahres Festmahl.
Für Cohen, meint Iyer, ging es in der Zen-Praxis weder um Frömmigkeit noch um Reinheit. Sie bot ihm eine praktische Erlösung und Zuflucht vor der Verwirrung, die ihn ein Leben lang begleitet hatte. Cohen verglich seinen gewöhnlichen Gemütszustandes mit dem Wartezimmer bei der Zulassungsstelle. Iyer schreibt: „Mit seinem alten japanischen Freund still zu sitzen, Courvoisier zu schlürfen und den Grillen bis tief in die Nacht zu lauschen, kam dem dauerhaften Glück am nächsten.“ Die Stille und das „Nirgendwohingehen“, war für Cohen das eigentliche große Abenteuer. Iyer: „Nirgendwohin zu gehen, bedeutet nicht, der Welt den Rücken zu kehren. Es geht darum, ab und zu einen Schritt zurückzutreten, um die Welt klarer zu sehen und tiefer zu lieben.“
Jenseits der Ablenkung können wir erleben, dass tiefes Zuhören uns mehr belebt als all die Gedanken, die uns ständig begleiten. Wenn wir stillsitzen, können frische und phantasievolle Ideen erscheinen. Cohen fand im Kloster einen perfekten Weg, allein in Gesellschaft zu sein und eine Stille zu finden, die kommuniziert. Für ihn war Zen so etwas wie ein „Krankenhaus für gebrochene Herzen“. In seinen Liedern ist er gleichzeitig kraftvoll, sanft, todernst, spielerisch und durchdrungen von der Neugier auf das, was im Zen als „die große Frage von Leben und Tod“ bekannt ist. Pico Iyer sagte über den damals 80-jährigen Cohen, dass er ein Gefühl von Glück, Weisheit und Frieden ausstrahle. „Das ist es, was wir meinen, wenn wir von Erfolg sprechen. Das sind Qualitäten, die wir nie sehen, aber immer spüren können.“ Am Montag werden wir Alltag und Stille in der Meditation Tun und Sein im Gleichgewicht üben. Na dann, Hallejulah!
Gerald Blomeyer, Berlin, 1. März 2022
Foto: Leonard Cohen, Wandmalerei, Plateau-Mont-Royal, Montreal (c) slava-abramovitch-VmEik5HiDUU-unsplash