„Wir wählen unser Leiden. Erlebe es vollständig, denn ohne Leiden können wir weder persönlich wachsen noch ein höheres Bewusstsein erlangen.“ – Ernie J. Zelinski, kanadischer Autor, Coach und Innovator
„Write drunk; edit sober.“ – Ernest Hemingway
„Wir können anderen nur das geben, was wir in uns haben. Ob wir voller Wut und Hass sind oder voller Liebe, wir werden uns und die anderen so behandeln, wie wir uns fühlen.“ – verschiedene Autoren

Manchmal ärgere ich mich, dass Dinge nicht so laufen, wie ich es will. Dann höre ich eine nörgelnde Stimme im Kopf und spüre Druck. Mein Optimismus ist wie weggefegt. Im Frust fühle ich mich eng und allein. Erst wenn ich mich frage: „Wogegen kämpfe ich eigentlich?“ erkenne ich mein altes Muster: Wer kämpft, leidet. Den Widerstand aufzugeben, erlaubt mir, die Situation neu zu sehen. Wenn ich an meiner Meinung nicht festhalte, sondern mich öffne, kann ich mich annehmen, wie ich bin und aus meinen Fehlern lernen. Dabei brauche ich Zeit, um zu entscheiden, ob ich lieber zur Schokolade greife oder geduldig mit mir selbst bin. Na ja, man kann auch zweigleisig fahren.

Staunen hilft, denken loszulassen

Wir wissen, dass es uns nicht gut tut, an bestimmten Dingen festzuhalten. Doch loslassen bleibt schwierig, denn es bedeutet Veränderung und die birgt Risiken. Gewohnheiten und Beziehungen geben uns Sicherheit, auch wenn sie lästig oder schlecht für uns sind. Sie scheinen unseren Alltag vorhersehbar und damit stabil zu machen. Wir lassen uns selten aufs Wundern ein, weil wir mit Worten und Ideen beschäftigt sind. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser, sagt man. Doch das stimmt nicht. Wer dem Leben mit Nichtwissen begegnet, kann sich zwar ängstigen, doch ohne sich zu wundern, gibt es keine neuen Einsichten. Wer Dinge nur effizient erledigen will, übersieht, dass es oft nicht einer Lösung bedarf sondern unserer fürsorglichen Präsenz. Viele Probleme wollen einfach nur gehört und anerkannt werden. Die Weite des Bewusstseins heißt alles willkommen: Ja und Nein, Gewinn oder Verlust, Haben oder Nichthaben. Wenn alles so sein darf wie es ist, gibt es weder richtig noch falsch, sondern nur Potential.

Wenn wir uns erlauben, neugierig zu fragen: „Was ist das?“ können wir unterschiedlich tief staunen. Wer nur einen Schimmer von „Nichtwissen“ bekommt, kann den Zustand nicht halten. Erst wenn wir uns vollständig auf das Staunen einlassen, kann sich die alte Ordnung auflösen und wir werden zum Staunen selbst. In diesem offenen Fokus, in dem wir unser Ego und die Welt fallen lassen, verschwindet das Festhalten. Wir erleben die Welt wie sie ist: neu, frisch, klar und ohne Selbst. Wir können dann rationale Analysen durch intuitives Erkennen ergänzen. Sich einlassen und zulassen schaffen ein Gleichgewicht zu den aktiven, gestaltenden Qualitäten. Wer immer nur in Geschichten der Vergangenheit oder der Zukunft lebt, kann die aktuelle Situation weder sehen, wie sie ist, noch sich darauf einlassen.

Selbstmitgefühl bedeutet sich selbst zuzuhören

Dr. Kristin Neff, außerordentliche Professorin für pädagogische Psychologie an der University of Texas in Austin, sagt: „Mitgefühl mit sich selbst bedeutet, dass man lernt, sich selbst gegenüber ein warmherziger, unterstützender Freund zu sein.“ Das macht uns emotional belastbarer und stärkt Gesundheit, Wohlbefinden und Produktivität. Unser „Selbstwert“ hängt hingegen von anderen ab, was sehr instabil ist. Selbstmitgefühl kommt dagegen von innen, ist stabil und schafft ein Gefühl der Sicherheit. Die Forschungen von Neff zeigen, dass Selbstmitgefühl sowohl die körperliche als auch die geistige Widerstandsfähigkeit erhöht. Sie hilft uns, die Herausforderungen des Lebens zu begegnen.

Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge sind keine Zeichen von Schwäche. Wenn wir uns selber Sätze sagen wie: „Ich akzeptiere mich so, wie ich bin.“ können wir liebevoll unsere Stärken und Schwächen akzeptieren, die schönen und weniger schönen Seiten. Wir verzeihen uns selbst für etwas, das wir vielleicht aus Unwissenheit begangen haben. Mitgefühl mit sich selbst zu haben, ist der größte Motivator für echte Veränderungen. Am Montag werden wir Metta üben, für uns und andere „Der Liebe einen Ausdruck zu geben„.

Gerald Blomeyer, Berlin im Januar 2022

Foto (c) Kimberley L. Bryant 2019

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