Der Anfängergeist hat viele Möglichkeiten, der des Experten nur wenige.” – Shunryu Suzuki
Wieso? Weshalb? Warum? Wer nich fragt bleibt dumm!“ – Sesamstrasse
Wenn ich weiß, was ich finden werde, will ich es nicht finden. Die Ungewissheit ist das Salz des Lebens.“ – Erwin Chargaff, österreichisch-amerikanischer Chemiker


Neugier hilft uns, Unbekanntes kennenzulernen. Sie ist die Grundlage des Lernens, sie belebt unsere Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Verfolgen wir komplexe und mehrdeutige Ereignisse aufmerksam, können wir Neues entdecken. Neugier wirkt deshalb als Gegenmittel, wenn wir uns und andere hart bewerten. Neugierige wachsen mit jeder Herausforderung.

Wer meditiert und neugierig ist, öffnet seine gerichtete Aufmerksamkeit. Wir sind bereit, Neues zu entdecken und zu staunen. Dieser „Anfängergeist“ läßt uns die Welt aus einer anderen Perspektive betrachten. Er erweitert unseren Spielraum und erlaubt uns, Probleme anzugehen. Wer neugierig und spielerisch meditiert, müht sich weniger ab. Er haftet nicht fest an seinen Überzeugungen. Wenn wir merken, dass wir urteilen, können wir zurücktreten und einen anderen Standpunkt einnehmen. Nach einer Meditation können wir ihn anschauen und unsere Muster und Annahmen erkennen.

In der Meditation gehen wir von Erfahrungen aus und erforschen sie von unten nach oben. Indem wir neugierig sind, können wir sie mit anderen Augen sehen. Im Denken hingegen gehen wir von oben nach unten vor, wir urteilen, denn unser Denken ist geprägt von individuellen und kulturellen Vorgaben. Aus Gewohnheit ordnen wir alles in uns bekannte Kategorien und bewerten es. Dabei fühlen wir uns sicher, müssen aber darauf verzichten, Neues zu erfahren. Wissen kann uns daran hindern, neu und anders zu denken.

Die klassische Frage im koreanischen Zen lautet: „Was ist das?“

In der Meditation erforschen wir unsere Erfahrungen, freudige und schmerzhafte. Wir bevorzugen nicht eine Erfahrung gegenüber einer anderen. Das bewahrt uns vor einer emotionalen Achterbahn mit ihren ekstatischen Höhen und abgrundtiefen Tälern. Die ehemalige buddhistische Nonne Martine Batchelor sieht Meditation einerseits als eine stabile Basis, gleichzeitig aber auch als offenes Wachsein, das uns erlaubt, uns zu verändern. Sie empfiehlt, immer wieder zu fragen: „Was ist das?“ Dabei geht es nicht um eine Antwort, sondern um eine Methode, alle Erfahrungen immer wieder neu zu hinterfragen.

Neugier kann erlernt werden. „Was soll ich tun?“ ist die erste Stufe. Wir versuchen, uns einen Reim auf bestimmte Aufgaben zu machen. Darauf folgt: „Das ist interessant. Ich möchte mehr wissen.“ Nun brauchen wir sowohl Anleitung als auch Freiheit, da uns Ideen oder Strategien fehlen. Auf der dritten Stufe erkennen wir: „Das hat mich verändert.“ Wir versuchen, das, was wir wissen, mit dem, was wir nicht wissen, in Einklang zu bringen.

„Curiosity killed the cat, but satisfaction brought it back.“ – englisches Sprichwort

Neugierde kann uns inspirieren und ablenken. Manchmal müssen wir einfach einen Schritt zurücktreten oder uns aus einer schwierigen Situation lösen. Risikobereitschaft kann aufregend oder beängstigend sein. Wie der US-Psychiater Dr. M. Lee Freedman, feststellt: „Die Neugier selbst ist nicht das Problem, sondern das, was wir als nächstes tun. Das ist ein Grund, warum wir kindersichere Steckdosen haben.“ Wir brauchen Weisheit, um zu erkennen, was ist, also, wann wir einen Hund streicheln und wann wir ihn in besser in Ruhe lassen.

Wer achtsam und neugierig ist, erkennt, was da ist. Wenn wir bereit sind, das anzunehmen, was sich zeigt, können wir mitfühlen. Alles zu akzeptieren, bedeutet aber nicht, alles zu mögen. Wir sind bereit, es einfach so sein zu lassen. Neugier hilft, schwierige Situationen neu zu sehen und unseren Horizont zu erweitern. Neugier ist die Basis für Kreativität und Wandel. In der Meditation hilft sie uns, die Gesamtheit unserer Erfahrung willkommen zu heißen.

Gerald Blomeyer, Berlin im Dezember 2021

Foto: marija-zaric-op5qHcSVLY4-unsplash

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