„Um ein Ding klar im Kopf zu sehen, muss es Gestalt annehmen.“ – Henry Ford

„Rast. Gast sein einmal. Nicht immer selbst seine Wünsche bewirten mit kärglicher Kost. Nicht immer feindlich nach allem fassen, einmal sich alles geschehen lassen und wissen: was geschieht, ist gut.“ – Rainer Maria Rilke

Alles besteht aus Teilen. Trotzdem nehmen wir komplexe Szenen oder Dinge meist als Einheit, als „Gestalt“ wahr. Wir erkennen sie schnell und spontan, indem wir sie benennen. Der Name, den wir vergeben, bezeichnet jedoch nur das Ganze, nicht aber seine konstituierenden Elemente. Wenn wir die Gestalt „Fontäne“ sehen, erkennen wir ein Objekt und nicht den Prozess, an dem Druck, Luft und viele Wasserteilchen beteiligt sind. Wir denken automatisch „Tisch“ oder „Stuhl“ , wenn wir vier Beine und eine Platte in einer bestimmten Anordnung sehen. Ein Wort besitzt eine Bedeutung, die in den Buchstaben alleine nicht vorhanden ist.

Denken und Handeln beginnen mit einem gerichteten Fokus

Wir erkennen ein Objekt, indem wir es benennen. Dazu greifen wir auf ein erlerntes Konzept zurück. Sobald wir etwas benennen, denken wir über seine Eigenschaften nach. Wir beginnen zu unterscheiden, zu vergleichen und zu urteilen, ob etwas gut oder böse, richtig oder falsch zu bewerten ist. Wir verspüren diesen Impuls instinktiv, obwohl wir nicht alles erfasst haben. Das Ziel der Meditation ist es, sich nicht durch die Grenzen der Sprache einengen zu lassen.


Einlassen braucht einen offenen Fokus


Indem wir nicht benennen, unterbrechen wir die endlose Kette von Denken und Handeln. Wir können nichts tun und das fordert uns heraus. Doch nur wenn wir die Objekte einfach sein lassen, kann unser Geist zur Ruhe kommen. Wenn der Geist still ist, hängt er nicht an äußeren Phänomenen. Wir werden wortlos gewahr, das Bewusstsein wird klar und präsent. Wir können uns entspannt einlassen und die wahre Natur unseres Geistes entdecken: Sie ist mühelos präsent und natürlich bewusst.


Mühelos zu sein, bedeutet keinen Druck und kein Ziel zu haben, wir geben das „Tun“ auf. Wir lassen den Impuls los, ständig an den Knöpfen der Erfahrung herumzuspielen und erlauben uns, einfach zu sein. Im mühelosen, offenen Gewahrsein sind wir weder verloren noch abgelenkt. Wir erkennen die offene Klarheit des Gewahrseins und erfahren sogar, dass wir selbst diese offene Klarheit sind. Dann merken wir, dass alle unsere Gedanken, Emotionen, Wahrnehmungen und Impulse in dieser erkennenden Präsenz erscheinen und sich wieder in ihr auflösen. Im Gleichgewicht zu leben, bedeutet, all dies anzunehmen zu können.

Gerald Blomeyer, Berlin, 7.06.2021

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