„Ich wünsche mir, die Stille der Nacht zu hören, denn die Stille ist etwas Positives und muss gehört werden.“ – Henry David Thoreau
„Je stiller du wirst, desto mehr kannst du hören.“ – Rumi
„Das Ziel ist die Ruhe, Stille und Klarheit des Geistes.“ – Ajahn Brahmavamso zur Meditation
Wenn wir lauschen, merken wir, dass Stille nicht die Abwesenheit von Geräuschen bedeutet. Bei Stille geht es um Präsenz, sie ist eine eigenständige, positive Kraft. Je stiller wir werden, um so mehr hören und sehen wir die Dinge, wie sie sind. Zu lauschen ohne zu interpretieren, bedeutet, unsere Aufmerksamkeit vom zielgerichteten Fokus im Kopf zum offenen Fokus im Herzen zu verlagern. Dann können wir den Regen, die Brise, die spielenden Kinder, den Atem ohne Mühe hören. Einfach offen in der Weite bei uns zu sein, ohne zu benennen oder interpretieren, erfrischt uns. Wer sich auf tiefes Zuhören einlässt, kann sich entspannen und dem Leben vertrauen. Doch wenn wir über uns sprechen und von unserem Ego erfüllt sind, verschwindet die Stille.
In der Meditation erkennen wir die Geschäftigkeit unseres Geistes, unsere fixen Meinungen und Vorurteile. Im Zen spricht man davon, „die Hand des Denkens zu öffnen“, um diese starre Sichtweise loszulassen. Für viele ist das beängstigend, denn das scheint unsere Identität, die vom Denken stammt, infrage zu stellen. In der Stille verstummt unsere Gewissheit. Wir nehmen etwas anderes als unser eigenes Ego wahr. Wir können dem Unbekannten begegnen. Wenn wir tief zuhören, kann der Geist sich öffnen und bereit sein, die Kontrolle abzugeben. Wir sind aufmerksam, präsent und bereit, dem zu begegnen, was auch immer als Nächstes kommt, ohne Erwartung oder vorgefasste Meinung. Das erlaubt uns, ohne Druck zu handeln.
In der Meditation lassen wir uns auf die Stille ein. Wenn sich konzeptionelle Grenzen auflösen, kommt unsere essenzielle Natur langsam zum Vorschein. Indem wir uns weit öffnen, erleben wir das Nicht-Wissen, den ursprünglichen Geist. Er ist einfach präsent und nimmt die Dinge wahr wie sie sind – voller Neugierde und Staunen. Offen, unwissend und verletzlich zuzuhören, macht uns aufmerksam. Unser Bewusstsein vermeidet es, schnell zu urteilen. Anstelle von festen Ansichten entdecken wir eine andere Identität, die mutiger und großzügiger ist als die, die gierig nach einfachen Antworten sucht. Diese Praxis des Nichtwissens begegnet dem nächsten Augenblick frisch, offen und unvoreingenommen. Wenn sich unsere Gedanken wiederholen, ist die Zeit des Nichtwissens gekommen. Das erfordert Mut. Wir müssen bereit sein, von dem Gefühl überwältigt zu werden, unseren Ängsten zu begegnen.
Ein einfacher Weg zur Stille ist es, unsere Aufmerksamkeit auf die Lücke zu richten, die zwischen zwei Worten, Gedanken oder Atemzügen liegt. Die Lücke ist der stille Raum zwischen den Dingen, wo der Verstand stillsteht, und uns in das Feld des Bewusstseins einläd. Dort erleben wir die innere Stille, die Quelle unserer Weisheit und Freude. Am Montag werden wir in der Meditation die Lücke erkunden, in der wir den gegenwärtigen Augenblick erfahren.
Montag-Meditation jeweils 19 Uhr
Yoga Nidra / Gewahrsein im Liegen, Achtsamkeit und Mitgefühl
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Gerald Blomeyer, Berlin, 21. Mai 2021
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