Romantische Beziehungen sind emotional und haben ein hohes Konfliktpotential. Auseinandersetzungen sind unvermeidbar. Der US-amerikanische Psychologe John Gottman nennt die zentralen Faktoren, die eine Beziehung zerstören, die vier „apokalyptischen Reiter“: Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und Rückzug.

Schmollen

Eine langfristige Beziehung einzugehen, bedeutet also, streiten zu lernen und dabei den Partner wertzuschätzen. Es ist schon einige Jahre her, dass mein verletztes Ego mir wichtiger war als meine Partnerin. Zwei Tage lang war ich von ihrer Kritik so gekränkt, dass es mir nicht möglich war, auf ihre freundlichen Angebote einzugehen. Ich war in unangenehmen Erinnerungen des Nicht-Gesehen-Werdens eingeschlossen und habe die alten Schmerzen festgehalten. Ich fühlte mich machtlos, nicht verstanden, verhielt mich mürrisch und unnahbar. Ich war mit meiner Aufmerksamkeit in Gedanken und nicht im Augenblick.

Man nennt diesen Rückzug „stonewalling“ („mauern“) oder schmollen. Ein idealer Partner weiß ja schließlich, was in uns vorgeht, ohne dass wir etwas sagen. „Wir schmollen nicht mit jedem, sondern mit Menschen, die uns verstehen sollten,“ meint der britische Philosoph Alain de Botton.

Im Hier und Jetzt sein

Achtsamkeit bedeutet zu wissen, wo unsere Aufmerksamkeit ist. Wenn wir vom Augenblick durch Gedanken abgelenkt werden, können wir sie zurückholen. Eine intime Beziehung fordert uns immer wieder heraus zu entdecken, wo wir unbewusst in Gedanken gefangen sind. Um jemanden wirklich zu lieben, müssen wir an ihnen interessiert sein, sie wertschätzen und akzeptieren, wie sie sind – auch in Zeiten akuten emotionalen Schmerzes.

Wahre Liebe erfordert, dass wir achtsam mit unserem Partner kommunizieren. Dann können wir das Gleiche auch für uns selbst tun. Gleichmut erlaubt uns, offen zu bleiben und uns zu entspannen. Indem wir achtsam sind, verfeinern wir unsere Fähigkeit, den anderen zu achten und gewohnheitsmäßige reaktive Muster zu vermeiden. Wir haben die Wahl, uns zu streiten, zu schmollen oder den anderen wertzuschätzen. Wer selbst bei emotionalem Schmerz und dem Wunsch sich zurückzuziehen, offen bleibt, hat diesen Test bestanden.

Im Buddhismus empfiehlt man, den Gefühlen Raum zu geben, nicht wegzulaufen und alles willkommen zu heißen. Gefühle bleiben nie lange. Jeder Ärger vergeht. Wer einer starken Emotion neugierig und achtsam begegnet, lindert sie. Wer mitfühlt, kann verzeihen und zufrieden sein. Es liegt an uns zu entscheiden, wie wir uns fühlen wollen. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber mit unserem Geist Frieden schließen. Wenn wir mit Gleichmut in uns ruhen, sind wir unabhängig von dem, was draußen passiert. Dann können wir Schönheit, Liebe und Freude erfahren.

Gerald Blomeyer, Berlin, 14. März 2021

Bildunterschrift: Die vier Apokalyptischen Reiter von Albrecht Dürer, 1497-1498 sind wohl das bekannteste Bild für Katastrophen, die erbarmungslos hereinbrechen. Sie personifizieren Sieg, Krieg, Teuerung und Hungersnot sowie den Tod selbst. (c) Metropolitan Museum of Art

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