Unser Verstand erzählt uns Geschichten. Wenn wir das erkennen, können wir zuhören, ohne uns mit ihnen zu identifizieren. Zuhören bedeutet, nichts erreichen zu wollen und unsere eigentliche Natur, die Liebe, zu entdecken. Sich der Liebe hinzugeben, erfordert, dass wir uns dem Unbekannten anvertrauen. – nach Adyashanti

Wir machen uns oft das Leben schwer. Dabei wissen wir gar nicht, wie lange wir noch leben werden. Können wir zufrieden und glücklich sein, wenn wir nicht wissen, wer wir sind? Unsere Vorlieben, Denkmuster und Gewohnheiten halten uns in unseren Gedanken gefangen. Manchmal sind wir von uns selber schockiert, manchmal versuchen wir uns zu verstecken. Es schmerzt, wenn wir uns missbilligen oder hart gegen uns sind. Je öfter wir das tun, um so stärker werden diese negativen Impulse. Damit schaden wir uns und anderen.

Wenn wir unsere Natur der Liebe und des Mitgefühls erkennen, können wir eine bedingungslose Freundschaft mit uns selbst entwickeln. Das hat nichts mit Selbstoptimierung zu tun. Es ist auch kein Versuch, ein Problem zu lösen. Mit liebevoller Güte geben wir Kontrolle auf. Ohne zu urteilen. Wir ermutigen uns, immer da zu sein. Wir lassen Konzepte und Ideale los. Gedanken, Emotionen, Stimmungen und Erinnerungen dürfen kommen und gehen.

Das grundlegende, erkennende Bewusstsein ist immer da. Wir können uns darauf einlassen, indem wir mitfühlen und loslassen. Wir können lernen, allem mit Neugierde zu begegnen und kein Drama daraus zu machen. Wenn wir uns entspannen, entdecken wir, dass die Klarheit immer da ist. Wir sehen, dass in den harten Auseinandersetzungen mit uns selbst auch immer das offene Bewusstsein da ist.

Unsere Vorstellung von uns selbst nennen die Tibeter „Sem“, den „kleinen Geist“. Wir erleben ihn als einen Strom von geschwätzigen Geschichten und diskursiven Gedanken. Er vergleicht gern und verstärkt unser Gefühl, nicht vollständig zu sein. „Rigpa“ hingegen ist der „große Geist“, der intelligent und hell ist. Dieses Gewahrsein steht hinter all dem Planen und Grübeln. Dieses „Klare-Licht-Bewusstsein“ ist immer im Hintergrund der ständig wechselnden Gedanken und Gefühle. Alle gröberen Bewusstseinsebenen gehen aus diesem klaren Licht hervor. Erst wenn wir aufhören, mit uns selbst zu reden, können wir diese Klarheit erkennen, zuhören und uns auf die Liebe einlassen.

Gerald Blomeyer, Berlin, Feb. 2021

Foto: Pokhara, Nepal 2013

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