Können wir je erfassen, was im Inneren eines anderen geschieht?
artwork by @kikkujo

 

Ich habe neulich wieder „Facing the Mirror“ von der deutschen, buddhistischen Nonne Ayya Khema  (1923 – 1987) gelesen. Sie beschreibt darin, einen Weg zu Selbstvertrauen und Erkenntnis.

Wer glaubt, vom Lob anderer abhängig zu sein, handelt entsprechend: Er/Sie macht sich abhängig. Die Sucht, anerkannt zu werden, lässt uns zum „Sklaven“ anderer werden. Wir fürchten, kritisiert zu werden. Um dieser scheinbar existentiellen Angst zu begegnen, schlägt Ayya Khema vor, sich selbst nicht so kritisch zu sehen. Im zweiten Schritt sollten wir erkennen: Wer von außen bestätigt werden will, kann sich selber nicht sehen.

Doch wir können das Verhalten anderer als einen wertvollen Spiegel nutzen, denn er hilft, uns selbst zu erkennen. Das erlaubt uns, unsere Angst vor Kritik und unsere Selbstzentriertheit loszulassen. Kritik anzunehmen macht uns zwar verletzlich, aber sterben werden wir deswegen nicht. Verletzlich zu sein erlaubt uns, unser Herz für uns und andere zu öffnen, zu lieben und geliebt zu werden.

Wir können unserer Angst vor Kritik in drei Schritten begegnen: „Erkenne sie. Beschuldige nicht andere. Ändere dich“. Im ersten Schritt machen wir uns die Angst vor Tadel, fehlender Unterstützung oder Wertschätzung bewusst. Anstatt wie gewöhnlich dem anderen die Schuld zu geben, halten wir inne. Denn wir sind es, die leiden, wenn wir uns negativ betrachten. Ärger ist wie glühende Kohle, die wir in den Händen halten. Wir wollen sie los werden. Aber anderen die Schuld zu geben, wirkt genau so negativ auf uns, wie unsere Angst vor dem Tod oder die Angst um unser Ego. Es ist sinnlos zu erwarten, wir oder andere seien perfekt. Wir sind entspannt, wenn wir den Wunsch aufgeben, gelobt zu werden.

Alles verändert sich ständig, wir auch. Das gilt auch für die Meditation. Manchmal ist der Geist fokussiert, ein andermal vergeht eine Stunde, bevor wir etwas Stille erreichen. Wir neigen dazu, diese Fähigkeit oder Unfähigkeit auf uns zu beziehen. Dabei ist es unser Geist, der sich ständig verändert. Wenn wir meinen, unsere Meditation müsse perfekt sein, sagt Ayya Khema, werden wir nicht meditieren können. Wenn wir uns dieser Vergänglichkeit bewusst werden, können wir leichter aufgeben, die Fehler bei uns und anderen zu suchen. Loslassen – dann darf alles so sein, wie es ist. Das ist das Ziel der Meditation.

Gerald Blomeyer, Berlin 7. Februar 2021

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