Gegensätze galten im alten China als Quelle der Entwicklung von allem, was existiert. Positives und Negatives, die in Opposition zueinanderstehen, bilden eine dynamische Einheit. Alles verändert sich, dabei entstehen Konflikte. Diese können eine transformatorische Energie haben, wenn wir mit ihnen arbeiten und ihre Kraft sich entfalten darf. Der Schlüssel dazu heißt: Wir müssen zu unseren Gefühlen stehen und aufgeben, alles mit dem Verstand zu kontrollieren. Wer das tut, erschöpft sich. Wenn wir auf Erfolg drängen, entsteht Unsicherheit.

Während einer Yoga-Nidra-Praxis werden wir angeleitet, zwei gegensätzliche Empfindungen zunächst getrennt und dann gleichzeitig zu erleben. Wir spüren Schwere im Körper, dann Leichtigkeit, gefolgt von beiden zusammen. Um Gegensätze gleichzeitig zu erleben, lösen wir uns vom Denken und lassen uns auf eine tiefe Entspannung ein. Wir erleben schwierige Gefühle im offenen, hypnagogischen Zustand des Bewusstseins. Wir lernen zu beobachten, was sie in uns auslösen, anstatt darauf zu reagieren. Wir sehen, dass wir unseren Gefühlen nicht ausgeliefert sind und schaffen so neue neuronale Muster, die wir im Alltag nutzen können. Für mich wirken diese gegensätzlichen Gefühlsphasen transformatorisch. Sie haben mir geholfen, Gefühle – wie die Angst, nicht gut genug zu sein – anzunehmen. 

Gefühle sind die Boten, die uns zur Ganzheit und Heilung führen. Wenn wir sie unterdrücken, werden sie lauter. Jedes Gefühl entsteht, wächst und vergeht. Sie willkommen zu heißen, ermöglicht uns zu unserem Leben und unseren Beziehungen zu stehen. Wir wissen nicht, was in anderen vorgeht, aber wir wissen, was wir fühlen. Wenn wir zu uns stehen, können wir nachfragen und sagen, was wir wirklich wollen, und dabei versuchen Missverständnisse zu vermeiden. Alles, wonach wir uns sehnen  – Freude, Kreativität, Innovation, Liebe -, entsteht nur durch unsere Verletzlichkeit. Indem wir das akzeptieren, was ist, können wir unsere Angst zu versagen, zulassen.

Wenn wir unsere Gefühle verleugnen, bleiben Frieden und Wohlbefinden außerhalb unserer Reichweite. Wenn wir das ganze Spektrum an Gefühlen willkommen heißen und zulassen, sind wir in der Lage, dauerhaft Frieden und Wohlbefinden zu erkennen und zu erfahren. Furchtlosigkeit und Frieden können sich im Leben ausbreiten, wenn wir uns nicht mehr fürchten, Angst oder Freude zu erleben. Wenn wir offen sind, all unsere Gefühle zu erfahren, kann Angst und Furcht unser Leben nicht beherrschen. Die Selbstkritik verliert ihre Kraft. Selbstliebe, Freundlichkeit und Mitgefühl blühen auf.“ – Richard Miller, iRest

Gerald Blomeyer, Berlin, 29.11.2020

Kintsugi – eine japanische Methode, zerbrochene Keramik zu reparieren. Es verbirgt nicht die Reparatur, sondern stellt sie durch die Verwendung von Gold in den Vordergrund. So entsteht in der Wertschätzung des ursprünglichen Objekts neue Schönheit.
Foto: Kintsugi-antique-japanese-bowl-restored-gold-cracks
(c) Marco-Montalti via Dreamstime.com

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