Chögyam Trungpa „Mit den Augen eines Buddha – Freundschaft mit sich selbst durch Achtsamkeit und Meditation“ übersetzt von Jochen Lehner, O.W. Barth 2017

Wissen, wer man wirklich ist

Eine Rezension für Tibet und Buddhismus
von Gerald Blomeyer

Chögyam Trungpa Rinpoche (1939 – 1987) war einer der ersten Lamas, der im Westen tibetischen Buddhismus auf Englisch unterrichtete. Er war ein anerkannter Lehrer und gründete in den USA die Naropa Universität und die Shambala Organisation. Sein Lebensstil war hingegen recht kontrovers.

Sechs Jahre lang hat die Herausgeberin Carolyn Rose Gimian die Vorträge von Chögyam Trungpa vom Anfang der 70er Jahre bearbeitet und in dieses Werk verdichtet. Sie hat das Buch in drei Teile gegliedert. Der erste heißt „Freundschaft schließen mit sich selbst.“ Erst wenn man sich selber kennt und das eigene Leben mit all seinen Neurosen und Leiden wertschätzt, kann unsere natürliche Wachheit, Mut und Sanftheit sichtbar werden. Aus dieser Selbstakzeptanz ohne Egoismus und ohne Bedarf nach Bestätigung kann sich Mitgefühl für andere entwickeln. Aus der Offenheit des Mitgefühls entsteht wiederum eine natürliche Großzügigkeit, die schließlich in einem Gefühl von Reichtum und Fülle mündet. Erst das Mitgefühl „verbindet unsere Meditation mit dem Alltag.“ Nur wer sich selbst schätzt, kann auch andere schätzen. Die tägliche Achtsamkeitspraxis sieht Trungpa als Voraussetzung für die notwendige Selbstakzeptanz, Offenheit, Großzügigkeit und Gefühle der Üppigkeit.

Im 2. Teil des Buchs werden die Grundlagen der Achtsamkeit und die Frage „Wer bin ich“ behandelt. Unser Denken schafft das Gefühl des Alleinseins bzw. von anderen Getrenntseins. Trungpa empfiehlt statt Ordnung und Kontrolle, bewusste Offenheit für das, was ist und, was geschieht. Je mehr wir unseren konzeptionellen Wahrnehmungsfilter ablegen, um so mehr lassen wir den eigentlichen Grund unseres Seins zu. Wir begreifen dann, dass es kein getrenntes Ich gibt und deshalb nicht darum gehen kann, etwas Neues zu schaffen. Die spontane Offenheit ist immer da. Wir können sie nur erfahren, wenn wir das Chaos zulassen und unsere Schwächen, wie Zögern und Furcht, als natürlichen Bestandteil unseres Erlebens akzeptieren: „Sie rackern hier nicht, Sie lassen Leichtigkeit walten.“

Im 3. Teil geht es um die Anwendung, um Achtsamkeit in Aktion. Dabei hilft die Meditation des „berühren und loslassen“. Alle positiven und negativen Erfahrungen werden erst erlebt und dann losgelassen. Das allumfassende Gewahrsein nennt er „die vierte Zeit“. Sie kommt nirgends her, ist immer vorhanden und braucht keine Bestätigung. In der Grundpraxis bedeutet rechte Achtsamkeit, dass man sich sowohl nach innen als auch zur Außenwelt orientiert. Der achtsame Geist ist offen und hat Raum und Weite sowohl im Denken als auch in der Wahrnehmung des Kontextes. Wer eine „achtsame Gesellschaft“ will, muss selber Achtsamkeit praktizieren um zu wissen, wer man wirklich ist.

Das Buch ist eine gut lesbare Einführung in Achtsamkeit und Meditation. Es ist besonders für Anfänger geeignet und kann auch eine Hilfe für diejenigen sein, die darüber kommunizieren möchten.

https://www.droemer-knaur.de/buch/9253891/mit-den-augen-eines-buddha

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